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Liebfrauenkirche

Foto: Kapuziner/Hoàng Lê

Der Welt­was­ser­tag fin­det seit 1993 jedes Jahr am 22. März statt.

22. März 2021

Impuls zum Weltwassertag: „Schwester Wasser“

Den Was­ser­hahn auf­dre­hen, und schon fließt das Was­ser. Das ist nicht über­all so. Der Tag des Was­sers am 22. März regt an, über die­ses wert­vol­le Ele­ment nach­zu­den­ken, dank­bar zu sein und weni­ger zu ver­brau­chen. Bru­der Leon­hard Leh­mann mit einem fran­zis­ka­ni­schen Impuls zum „Tag des Wassers“.

Eines der schöns­ten Lie­der über die Har­mo­nie des Kos­mos ist der Son­nen­ge­sang. Er stammt von Franz von Assi­si (1182–1226), dem Tuch­händ­ler­sohn, der auf sein Erbe ver­zich­tet und ein Leben als Armer unter Armen begon­nen hat. Er woll­te dem Ruf Jesu an den rei­chen jun­gen Mann mög­lichst genau Fol­ge leis­ten. So leb­te er nach sei­nem Aus­stieg aus der stän­di­schen Ord­nung als Tage­löh­ner und von Almo­sen, zog durch Städ­te und Dör­fer, pre­dig­te Buße und ver­söhn­te vie­le Men­schen mit sich, mit Gott und dem Nächs­ten. Wenn er die Wun­der­wer­ke Got­tes in der Natur betrach­te­te, wur­de er ganz hin­ge­ris­sen und fing an zu sin­gen. Doch anders, als man ver­mu­ten könn­te, ent­stand der Son­nen­ge­sang nicht an einem schö­nen Früh­lings­tag, son­dern in einer Nacht vol­ler Bedräng­nis. Fran­zis­kus wur­de schon lan­ge von vie­len Krank­hei­ten geplagt und seit sei­nem Auf­ent­halt beim Sul­tan von Ägyp­ten 1219 war er fast blind. Dazu kamen Ent­täu­schun­gen; sein Orden glitt ihm aus den Hän­den; die Lei­tung hat­te er schon 1221 abge­ge­ben, fühl­te sich aber noch ver­ant­wort­lich. So lag er im Win­ter 1224/25 krank in einer Hüt­te bei San Dami­a­no, wo er für Kla­ra und ihre Schwes­tern ein Klös­ter­chen her­ge­rich­tet hat­te. Deren Nähe tat ihm gut. Als er in einer schlaf­lo­sen Nacht der Ver­zweif­lung nahe war, erfuhr er die Hil­fe Got­tes und wur­de der Ver­hei­ßung gewiss: „Als Preis der Geduld in dei­ner Krank­heit erwar­te sicher dein Erb­teil in mei­nem Reich.“ Damals dich­te­te er das Lob­lied auf die Geschöp­fe und feu­er­te sie an, nach Kräf­ten den Schöp­fer zu loben.

Die Geschöp­fe als Mit­wir­ken­de im Loben Gottes

Fran­zis­kus sieht sich als zu schwach und klein, um allein sei­nen Schöp­fer zu loben, er will es mit allen Geschöp­fen tun. Er sieht in ihnen Eben­bil­der, die wür­di­ger sind, Gott zu nen­nen, weil sie ihrer Anla­ge gemäß nach Got­tes Wil­len han­deln, wäh­rend der Mensch oft sei­nen eige­nen Wil­len durch­setzt. So wird denn auch nach den Stro­phen über die Gestir­ne und die vier Ele­men­te Luft – Was­ser – Feu­er – Erde der Mensch nicht etwa wegen sei­ner Intel­li­genz, Mus­kel­kraft und Herr­schaft über die Natur ins Spiel gebracht, son­dern wegen sei­ner Fähig­keit zu dul­den, zu lei­den und Frie­den zu stif­ten. In der Herr­schaft über sich selbst offen­bart sich für Fran­zis­kus des Men­schen Grö­ße, Kraft und Herr­lich­keit, für die es Gott zu loben gilt. Er spart auch den Tod nicht aus, den er „Schwes­ter“ nennt. Wir sagen „Bru­der Tod“. Über­haupt stim­men unse­re Geschlech­ter nicht immer mit dem Ita­lie­ni­schen über­ein: Die Son­ne ist in den roma­ni­schen Spra­chen männ­lich, der Mond weib­lich. Die neue­ren Über­set­zun­gen (Got­tes­lob Nr. 19,2) hal­ten sich an das ita­lie­ni­sche Ori­gi­nal. Dadurch wird auch der har­mo­ni­sche Wech­sel von Bru­der und Schwes­ter deut­lich. Der Kos­mos ist näm­lich nach drei Geschwis­ter­paa­ren geord­net. Dabei wer­den die klei­ne­ren Krea­tu­ren wie jün­ge­re Geschwis­ter schüt­zend in die Mit­te genom­men. Sie sind umfan­gen vom gro­ßen kos­mi­schen Paar, dem Herrn Bru­der Son­nen­ball und der Schwes­ter Mut­ter Erde:

HERR Bru­der Son­ne und Schwes­ter Mond,
Bru­der Wind und Schwes­ter Wasser,
Bru­der Feu­er und Schwes­ter MUT­TER Erde.

Die Schwie­rig­keit, den Geschlech­ter­wech­sel im Deut­schen nach­zu­ah­men, soll­te nicht ver­ges­sen las­sen, wie neu über­haupt die Art ist, die Geschöp­fe als „Bru­der“ bzw. „Schwes­ter“ anzu­re­den. Pau­lus nennt die Chris­ten „Brü­der“, und wir sind es heu­te gewohnt, als Schwes­tern und Brü­der ange­spro­chen zu wer­den. Fran­zis­kus geht dar­über hin­aus und nennt auch die Tie­re („Bru­der Wolf“), Blu­men und Bäu­me, ja selbst die Krank­hei­ten „Schwes­ter“ und „Bru­der“. Welch eine Ver­söh­nung steckt hin­ter sol­cher Anre­de! Welch uni­ver­sa­le Geschwisterlichkeit!

Was­ser – nütz­lich und demütig

In den zehn Stro­phen des Son­nen­ge­sangs steht die Was­ser-Stro­phe genau in der Mitte

Gelobt seist du, mein Herr,
für Schwes­ter Wasser.
Sehr nütz­lich ist sie
und demü­tig und kost­bar und keusch.

Wie auf Wind oft Regen folgt, so ruft im Son­nen­ge­sang das Bild von Bru­der Wind jenes von Schwes­ter Was­ser wach. Sie gehö­ren wie Geschwis­ter zusam­men. Der Wind führt in Wol­ken den Regen her­bei. Er bringt auch Bewe­gung in die Was­ser­mas­sen des Mee­res, wühlt es auf, schlägt Wel­len und Wogen.

Von sich aus sucht Was­ser immer den unters­ten Platz, es läuft nie nach oben. Dar­um nennt Fran­zis­kus es „demü­tig“. Es ist für ihn und sei­ne Gefähr­ten ein Vor­bild. Wie er, der einst Rit­ter wer­den woll­te, zu den Aus­sät­zi­gen hin­ab­ge­stie­gen ist, so sol­len auch sei­ne Gefähr­ten in der Gesell­schaft immer den unte­ren Platz auf­su­chen. Eli­sa­beth von Thü­rin­gen, die Königs­toch­ter von Ungarn, voll­zog die­se Kar­rie­re nach unten, als sie nach glück­li­cher Ehe mit dem Land­gra­fen Lud­wig, der auf dem Kreuz­zug 1227 starb, von der Wart­burg her­ab­stieg, in Eisen­ach Kran­ke pfleg­te und mit ihrem Erbe in Mar­burg ein Hos­pi­tal bau­en ließ, in dem sie ihre Kräf­te im Dienst an Kran­ken so auf­rieb, dass sie schon mit 24 Jah­ren im Novem­ber 1231 starb.

Ein ande­rer Grund, Was­ser mit Demut zu ver­bin­den, ist aus­drück­lich genannt: Es ist brauch­bar und nütz­lich. Selbst­los dient es Mensch und Tier, Baum und Strauch. Anspruchs­los hält es sich bereit, getrun­ken, gebraucht, ver­wen­det und ver­schwen­det zu wer­den. Es erfrischt und belebt, rei­nigt und klärt. Das Wun­der des Was­sers wan­delt Wüs­te in frucht­ba­res Land.

Was­ser – kost­bar und keusch

Ein zwei­tes Begriffs­paar qua­li­fi­ziert Schwes­ter Was­ser als „kost­bar und keusch“. Dass es kost­bar ist, ver­steht sich aus sei­nem viel­fa­chen Nut­zen. Wir mer­ken sofort, wenn es fehlt. Men­schen anders­wo wis­sen um sei­ne Kost­bar­keit, weil ihnen Was­ser fehlt oder weil sie es täg­lich am Brun­nen holen müs­sen. Schon jetzt wird um Was­ser gekämpft, und Wis­sen­schaft­ler sagen uns, dass wir zu viel ver­geu­den; wir soll­ten spar­sa­mer mit dem kost­ba­ren Gut umgehen.

Weni­ger ver­ständ­lich ist das Bei­wort „keusch“. Kost­bar ist natür­lich nur das rei­ne Was­ser, ver­schmutz­tes haben wir genug. Was wir vor Jah­ren beklag­ten – sau­rer Regen, ver­seuch­te Gewäs­ser, stin­ken­de Bäche – ist durch öko­lo­gi­sche Initia­ti­ven der Bür­ger und die Umwelt­po­li­tik des Staa­tes bes­ser gewor­den, hält aber in vie­len Erd­tei­len an. Da Fran­zis­kus das Was­ser mit „Schwes­ter“ anspricht, kann er sie ver­mensch­licht auch „keusch“ nen­nen, was an das Gelüb­de der Keusch­heit erin­nert, das Brü­der und Schwes­tern able­gen, wenn sie in einen Orden ein­tre­ten. Klar und rein sol­len sie sein, genieß­bar und trans­pa­rent für die Güte Got­tes wie kla­res Wasser.

Was­ser – ein Geschenk des Him­mels wird zum Problem

Ob es die Quel­le ist, die aus der Tie­fe des Ber­ges kommt und Stun­de für Stun­de, Tag für Tag, Jahr für Jahr die Leben spen­den­de Gabe schenkt, ob es der Berg­bach ist, der sich sei­nen Weg durch Wäl­der und Wie­sen erobert, oder der Strom, der gro­ße Schif­fe trägt, oder die Wei­te des Mee­res, in dem sich Fische tum­meln: Was­ser ist ein Geschenk. Dafür dankt der Sän­ger aus Assi­si, indem er die Stro­phe beginnt mit: „Lau­da­to si’, mi Signo­re, per sor‘ Aqua – gelobt seist Du, mein Herr, für Schwes­ter Was­ser“. Sein Gesang erklang durch alle Jahr­hun­der­te in vie­len Spra­chen und hat ein tie­fes Echo gefun­den in der gro­ßen Enzy­kli­ka Lau­da­to si‘ von Papst Fran­zis­kus über die Sor­ge für das gemein­sa­me Haus (24. Mai 2015). Dort wird schon im I. Kapi­tel „Die Was­ser­fra­ge“ (Nr. 27–31) behandelt.

Die nun schon ein Jahr wäh­ren­de Pan­de­mie Coro­na unter­streicht nur, was der Club of Rome seit 1970 anmahnt: dass die Res­sour­cen begrenzt sind und wir nicht wei­ter die Erde aus­beu­ten dürfen.

Was­ser – Sym­bol für das Geheim­nis des Menschen

Wie das Was­ser aus uner­gründ­li­chen Tie­fen ent­springt, sich zwi­schen Fels­spal­ten zur Quel­le formt, dann berg­ab­wärts sich mit wei­te­ren Rinn­sa­len ver­eint, zum Bach wird, zum Fluss, dann zum Strom, der ins wei­te Meer mün­det, so kommt der Mensch aus uner­gründ­li­cher Tie­fe, lernt gehen, lernt in Bezie­hung tre­ten, lernt neh­men und geben, trifft auf vie­le Geschöp­fe, mit denen er das Leben geschwis­ter­lich teilt, und mün­det schließ­lich in Gott, dem All-Einen.

Was­ser – Zei­chen der Taufe

Wer ist mehr als die Chris­ten dazu beru­fen, Was­ser ehr­fürch­tig zu behan­deln und dank­bar zu sein für die­se Gabe? Chris­ten sind ja im Zei­chen des Was­sers und in der Kraft des Geis­tes zu Kin­dern des leben­di­gen Got­tes gewor­den. Kei­ne Tau­fe ohne Was­ser! Dar­in sind sich alle Kon­fes­sio­nen einig. Was­ser ist das Zei­chen der Tau­fe, durch die ein Keim gött­li­chen Lebens ein­ge­pflanzt wird. Wer sie emp­fängt, bekommt eine Lebens­kraft geschenkt, die sogar den Tod über­dau­ert. Die Getauf­ten tra­gen eine Hoff­nung in sich, die das irdi­sche Leben, alles Wach­sen, Blü­hen und Gedei­hen als Teil der Lebens­fül­le ansieht, zu der hin Chris­ten unter­wegs sind – durch Kreuz und Leid, ja durch das Tor des Todes hin­durch, die zum Leben die­ser Welt­zeit gehö­ren, aber nicht zum Leben des „neu­en Him­mels und der neu­en Erde, in denen die Gerech­tig­keit wohnt“ (2 Petr 3,13; Offb 21,1).

Leon­hard Lehmann

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