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FOTO: KAPUZINER/THOMAS SCHIED

Der Apostel Thomas

Die­ses Wand­ge­mäl­de des Apos­tels stammt aus Jeru­sa­lem, aus dem Fran­zis­ka­ner­klos­ter Betfage

14. April 2023

Glaube und Zweifel: „Wir sind wie Thomas“

Der Apos­tel Tho­mas zwei­felt, dass Jesus auf­er­stan­den ist, das Zeug­nis sei­ner Mit­brü­der reicht ihm nicht. Wie sieht es heu­te aus mit Glau­be und Zwei­fel? Br. Micha­el Mas­seo hat sich umge­hört – auch unter Mit­brü­dern im Kloster.

Der Kol­le­ge in der Geflüch­te­ten­ar­beit schaut mich rat­los an. Er wirkt sehr über­rascht. „Zwei­fel an Got­tes Exis­tenz?“, wie­der­holt er mei­ne Fra­ge, fast in Zeit­lu­pe, und denkt nach. Er stammt aus Afgha­ni­stan, ist gläu­bi­ger Mus­lim. Gera­de sind wir zusam­men mit ein paar wei­te­ren Kol­le­gen im Auf­ent­halts­raum einer Geflüch­te­ten­un­ter­kunft, einen Tee oder Kaf­fee in der Hand.

„Micha­el, schau doch in den Spie­gel“, setzt er nun an. „Wir Men­schen sind doch ein Wun­der­werk Got­tes, wie kön­nen wir da an sei­ner Exis­tenz zwei­feln?“ Wir schau­en gemein­sam in den Spie­gel. Er führt mei­nen Fin­ger und schwärmt: „Du hast zwei Augen, mit denen Du sehen kannst. Du hast zwei Ohren, mit denen Du hören kannst. Du hast eine Nase, mit der Du rie­chen kannst. Das ist ganz wun­der­bar geschaf­fen, das kann nicht aus Zufall entstehen.“

Und er legt nach: „Nie­mand außer einem Gott kann dies der­art per­fekt schaf­fen!“ „Und hin­ter dei­nen Augen liegt ein Gehirn“, redet er ges­ti­ku­lie­rend wei­ter. „Eine unglaub­lich per­fek­te Steue­rungs­ma­schi­ne ist unser Gehirn, Ver­bin­dung von Kör­per und Geist, Koor­di­na­ti­on, Gefüh­len“, schwärmt er. „So per­fekt kann kein Com­pu­ter der Welt arbei­ten!“, sagt der Kol­le­ge. Ein ande­rer Kol­le­ge ruft dazwi­schen: „Doch, jetzt kommt doch gera­de die Künst­li­che Intel­li­genz auf!“ – „Ja, aber auch die hat der von Gott geschaf­fe­ne Mensch erfun­den und ent­wi­ckelt.“ Stil­le im Auf­ent­halts­raum. Die end­gül­ti­ge Wider­le­gung mei­ner und unse­rer Zweifel?

Ich bin unsi­cher. Genügt mir ein Schöp­fungs­zeug­nis (das ich selbst ja eben­falls bin) für mei­nen Got­tes­glau­ben? Und außer­dem: Dass Gott exis­tiert, ist das eine. Aber die Auf­er­ste­hung? „Selig sind die, die nicht sehen und doch glau­ben“, sagt Jesus im Evan­ge­li­um. Dem Apos­tel Tho­mas gelingt das nicht. Und mir selbst? Wenn ich mich nach sicht­ba­ren Bewei­sen von Got­tes Exis­tenz und Jesu Auf­er­ste­hung seh­ne, bin ich dann „Tho­mas 2.0“?

„Ich bin nicht bes­ser als Tho­mas“, bekennt Bru­der Gis­bert Schüt­te aus dem Kapu­zi­ner­klos­ter in Wer­ne an der Lip­pe in Nord­rhein-West­fa­len. Gezwei­felt habe er „nicht nur ein­mal, son­dern in vie­len Pha­sen mei­nes Lebens“, sagt der 84-Jäh­ri­ge. In jenen Pha­sen erschien es ihm „unbe­greif­lich, dass es einen Gott gibt, der die Geschi­cke der Men­schen in sei­ner Hand haben soll“.

Und so man­chem Mit­bru­der erge­he es nicht anders, sagt Bru­der Gis­bert, der 17 Jah­re lang als Kran­ken­haus­seel­sor­ger in Müns­ter Kran­ke und Ster­ben­de beglei­tet hat und auch heu­te noch ein gefrag­ter Mann für geist­li­che Beglei­tung ist. „Der Apos­tel Tho­mas wird geplagt von Zwei­feln, Fra­gen und Unsi­cher­hei­ten, die ganz nor­mal sind unter uns Men­schen“, sagt er.

Aller­dings kann Bru­der Gis­bert mit sei­nen Zwei­feln immer wie­der von sei­nen Mit­brü­dern und ande­ren ver­trau­ten Per­so­nen im Glau­ben über­zeugt wer­den. „Wir sind wie Tho­mas und brau­chen die ande­ren und ihren Glau­ben“, ist er über­zeugt. Wenn „der Tho­mas in mir durch­kommt“, sagt Bru­der Gis­bert, brau­che er jene Men­schen, die „durch ihr Leben, ihre Wor­te und ihre Taten mir Hoff­nung schen­ken und Mut machen“. Daher sei der Apos­tel Tho­mas eben nicht ungläu­big, son­dern ein Zwei­feln­der. „Das ist ein wich­ti­ger Unter­schied“, betont Bru­der Gisbert.

Und noch eines macht die Sache mit Glau­ben und Zwei­fel so schwie­rig: Vie­le Men­schen wis­sen und spre­chen von Got­tes­er­leb­nis­sen, vom Gefühl, aus schier aus­weg­lo­sen Situa­tio­nen geret­tet wor­den zu sein, ein Wun­der erlebt zu haben. Und den­noch bedarf es offen­bar immer wei­te­rer Bewei­se, um gegen Got­tes­zwei­fel anzu­kämp­fen. Gewiss­heit ist wie eine Sucht: Man braucht immer mehr davon. Aber lei­der: Wir kön­nen uns noch so sehr danach seh­nen – Gewiss­heit und Glau­be wird nicht das­sel­be sein.

Jeden Sonn­tag fei­ern wir Auf­er­ste­hung. Wir erin­nern uns, dass die Gemein­schaft mit Jesus Chris­tus stär­ker ist, als der Tod je sein kann. Das ist ech­ter Glau­be. „Ihn habt Ihr nicht gese­hen und den­noch liebt Ihr ihn“, so drückt es der Apos­tel Petrus aus. Und er hat recht: Mir ist klar, dass glau­ben heißt, von einer Wirk­lich­keit aus­zu­ge­hen, die über unse­re sinn­lich wahr­nehm­ba­re Wirk­lich­keit hin­aus­geht, die ich eben nicht sehe. Der Apos­tel Tho­mas tut das nicht. Er glaubt nicht ein­mal den ande­ren Jün­gern, sei­nen eige­nen Mit­brü­dern, dass Jesus auf­ge­stan­den und ihnen erschie­nen ist. Er will Jesus selbst sehen, mit eige­nen Hän­den berühren.

Bru­der Edmund Kesen­hei­mer war jah­re­lang Seel­sor­ger im Kran­ken­haus, bei Ordens­schwes­tern in Süd­deutsch­land und Mis­sio­nar in Indo­ne­si­en. Heu­te lei­tet der 77-Jäh­ri­ge das Kapu­zi­ner­klos­ter in Sögel im Ems­land. Ver­steht er den Apos­tel Tho­mas und des­sen Zwei­fel? „Spä­tes­tens als meh­re­re Mit­brü­der im ähn­li­chen Alter wie ich den Orden ver­lie­ßen, kam mein Glau­be ins Wan­ken. Das waren groß­ar­ti­ge Men­schen und Seel­sor­ger, ihre Zwei­fel waren zu groß, und auch mei­ne Fra­gen an Gott wuch­sen täg­lich“, sagt er. Er habe damals viel an den Apos­tel Tho­mas gedacht, „und er wur­de mir sym­pa­thisch. Auch ich hät­te ger­ne ein Zei­chen von Gott erfah­ren“, sagt er.

Im Unter­schied zu Tho­mas konn­ten ihn sei­ne Mit­brü­der auf­fan­gen, erzählt er heu­te: „Indem sie treu ihre kapu­zi­ni­sche Beru­fung und ihre Lie­be zu Jesus Chris­tus leb­ten, hal­fen sie mir.“ Den­noch tau­chen immer noch hier und da Zwei­fel an Gott und unse­ren Glau­ben auf, gibt Bru­der Edmund preis und sagt: „Auf die­ser Erde wer­den wir kei­nen end­gül­ti­gen Beweis erhalten.“

Text: Br. Micha­el Mas­seo Maldacker

Der Arti­kel ist zuerst in der Ver­lags­grup­pe Bis­tums­pres­se erschienen. 

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