FOTO: KAPUZINER/LEMRICH
Bruder Marinus Parzinger
Wie hast Du Deine Berufung gefunden?
Meine Kindheit und Jugendzeit war katholisch geprägt. Mein Elternhaus, ein Bauernhof, stand direkt neben dem Pfarrhaus und der Kirche. Mit Begeisterung war ich Ministrant. Mein persönlicher Glaube wurde mir wichtig als Quelle der Hoffnung und Orientierung. Von mehreren Seiten wurde ich ermutigt und bestärkt, meinen Weg zu gehen. Ordensleute waren mir vertraut, da eine Tante Franziskanerin ist und ein Onkel als Kapuziner in Chile lebt. Die Frage, was ich einmal werden möchte, wurde mir von Verwandten gestellt. Zunächst lernte ich den Beruf des Bäckers und Konditors. Durch die Begegnung mit Kapuzinern im nahen Kloster Laufen konnte ich mir immer mehr vorstellen, dass das mein Weg sein könnte. Ich lernte zupackende, humorvolle Menschen kennen. In mir war die Frage, was ich mit meinem Leben anfangen soll. In dieser Zeit entdeckte ich die Bibel als einen Schatz. Und ich erinnerte mich an die Worte eines meiner Religionslehrer, der mir zutraute, ich könnte Seelsorger werden.
Warum Kapuziner?
Mich fasziniert das einfache, brüderliche Leben, das zugleich fordert und bereichert; Gefährtenschaft ist etwas Kostbares. Weiter bewegt mich die Nähe zu den Menschen mit ihren Nöten; der Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung; die Vielfalt der Aufgaben; die Freude an der Frohen Botschaft und ihre Übersetzung in unsere Zeit. Im Lauf der Zeit wird mir die gesellschaftliche Bedeutung des Glaubens immer wichtiger. Wie leben Menschen versöhnt miteinander? Wie ändern wir unseren Lebensstil und schaffen die notwendige Korrektur, um die Schöpfung zu bewahren?
Franz von Assisi?
Der erste Besuch in Assisi 1984 hat in mir nachhaltig gewirkt. Mein persönlicher Glaube hat sich durch Begegnungen geweitet. Heute merke ich, wie aktuell seine Vision von der Geschwisterlichkeit ist, wie notwendig eine wertschätzende Haltung gegenüber der ganzen Schöpfung. Franziskus spornt mich an, mich dafür zu engagieren. Sein einfacher Lebensstil fokussiert meine Aufmerksamkeit auf das Wesentliche. Er ist für mich ein Impulsgeber. Er spornt mich an, Grenzen zu überwinden und mich für eine menschenfreundliche Welt einzusetzen.
Was machst Du im Orden?
Meine Aufgaben waren und sind vielfältig: Kaplan, Begleiter für Studenten, Wallfahrtsseelsorger, Hausleiter, Pfarrer, Provinzial. Aktuell leite ich die Gemeinschaft in St. Konrad, arbeite in der Wallfahrtsseelsorge mit, bin Ansprechperson für Fragen der Prävention in unserer Provinz. Mit einem Schwerpunkt bin ich Präses des SLW (Seraphisches Liebeswerk = Kinder- und Jugendhilfswerk der Kapuziner) mit acht großen Einrichtungen. Darin sehe ich eine lohnende Aufgabe. Ich kann Menschen motivieren, den schwächsten in der Gesellschaft einen besseren Start ins Leben zu ermöglichen.
Was möchtest Du verändern in der Welt, in der Du lebst?
Mit der Zeit habe ich gelernt, dass ich andere nicht einfach ändern kann. Es macht wenig Sinn, zu warten, bis andere mitziehen. Anfangen muss ich bei mir. Natürlich ist es leichter, wenn andere mitziehen. Ich möchte Menschen in ihrer Individualität, ihrer Berufung stärken, den Glauben als Sinnangebot vermitteln, mich einsetzen für eine geschwisterlichere Welt, die jeden Menschen wertschätzt unabhängig von seiner Herkunft, Hautfarbe oder Religion. Ich möchte meinen Teil beitragen zu einem versöhnten Miteinander der Religionen.