FOTO: KAPUZINER/LEMRICH
Bruder Moritz Huber
Wie hast Du Deine Berufung gefunden?
Ich würde viel eher sagen: Die Berufung hat mich gefunden, denn ich habe nicht nach ihr gesucht. Als Bierbrauer im Bayerischen Wald war ich unglaublich zufrieden. Mir wäre nichts eingefallen, das mir gefehlt hätte, ich wollte dort bleiben und dachte, meinen Platz gefunden zu haben. Zwar habe ich schon daran geglaubt, dass es einen Gott gibt. Aber ich war der Überzeugung, dass dieser Gott uns alles mitgegeben hat, um unser Leben bestreiten zu können. Und deshalb konnte und sollte er uns auch in Ruhe lassen; wenn ich ihn einen guten Mann sein ließ, dann sollte er mich eben auch sein lassen – ganz einfach. Ich war ihm für mein Leben sehr dankbar, das tat mir gut, das ließ mich genügsam und zufrieden sein, doch eine Gottesbeziehung im eigentlichen Sinne war mir fremd.
Was ich mir aber nicht erklären konnte und was mich schließlich sehr verwirrte und durcheinander brachte, war eine immer stärker werdende Sehnsucht, für Gott und die Menschen da zu sein. Da ich einige Jahre zuvor zusammen mit einem Freund zu Fuß nach Rom gegangen war und auf diesem Weg mit dem Hl. Franziskus in Kontakt kam, schien mir diese Sehnsucht immer mehr mit dessen Lebensentwurf zusammenzufallen, der mir damals – ganz anders als die katholische Kirche – als sehr authentisch erschien. Ich wehrte mich gegen dieses Gezogen-Werden und antwortete entweder mit ‚nein‘ oder redete mir ein, diesem Lebensentwurf auch nachkommen zu können, ohne meinen geliebten Ort zu verlassen. Doch das Ziehen hörte nicht auf. Die Frage kam jeden Tag aufs Neue, ganz gleich wie oft ich ‚nein‘ gesagt hatte. Schließlich wurde mir klar, dass mir nichts überblieb, als ‚Ja, ich versuche es wenigstens‘ zu sagen. Diesen Versuch habe ich bis jetzt nie bereut.
Warum Kapuziner?
Dass es für mich etwas Franziskanisches werden sollte, stand für mich zunächst außer Frage. Franziskus hatte eine ungeheure Anziehungskraft auf mich. Dass ich allerdings bei den Kapuzinern gelandet bin, ist – je nach Lesart – entweder Zufall oder Fügung. Als ich Kontakt zu einer Ordensgemeinschaft aufnehmen wollte, um sie kennenzulernen, war mir der Unterschied zwischen Kapuzinern und Franziskanern nicht klar. Da ich mich ja entscheiden musste, dachte ich ganz einfach: Ich bin als Bayer noch nie in Altötting gewesen und da sind halt die Kapuziner, also fragst du da mal nach. Nach Altötting bin ich dann zwar nicht gegangen, da mir geraten wurde, zunächst einmal den Konvent in Salzburg zu besuchen. Aber es ist doch der Grund, warum ich zu den Kapuzinern gegangen bin. Warum ich dann auch bei den Kapuzinern geblieben bin, liegt sicher nicht an Altötting oder an den schönen Klöstern, sondern an den Kapuzinern selbst. Ich fühlte mich sofort wohl bei ihnen und was das Schönste für mich war: Man durfte dort so sein, wie man war. Mir kam es immer so vor, als würden die Originale immer weniger – Menschen, die einfach sie selbst sind. Bei den Kapuzinern fand ich welche. Ich hatte den Raum gefunden, wo ich meine Sehnsucht, für Gott und die Menschen da zu sein, Gestalt finden lassen konnte.
Franz von Assisi?
Ja, bitte!
Was machst Du im Orden?
Ich bin im Moment in der Ausbildung. Meine Gelübde habe ich noch nicht auf Lebenszeit abgelegt, sondern zunächst auf begrenzte Zeit. Diese Ausbildung ist sehr breit aufgestellt. Der zeitliche Schwerpunkt liegt klar auf dem Theologie-Studium. Daneben fallen aber ganz viele verschiedene Dinge an: Wohnungslosenhilfe, Einsatz für die Ukrainehilfe, geistliche Angebote für junge Menschen, Dienste in Kirche, Liturgie und Haus. Als Kapuziner habe ich einen gefüllten Alltag. Und dabei darf der eigentliche, der lebenspraktische Schwerpunkt nicht in den Hintergrund geraten – das Vertiefen der Beziehung zu Gott.
Was möchtest Du verändern in der Welt, in der Du lebst?
Gerade die Klimakatastrophe und die damit verbundene Diskussion über den Verbrauch, das lässt mich immer wieder denken: der klimafreundlichste Mensch ist doch eigentlich der tote Mensch. Dies ließe sich in dieser Welt, in der es so viel Leid und Unrecht gibt, wohl weiterdenken. Eine Welt ohne Menschen wäre dann eigentlich eine bessere. Selbst durch Jesus oder Franziskus kam nicht nur Gutes in die Welt: von beiden gingen auch Bewegungen und Dynamiken aus, die die Welt nicht unbedingt friedlicher gemacht haben. Was soll der Mensch also eigentlich verändern? Kann er nicht sowieso nur alles schlimmer machen bzw. im Höchstfall nicht mehr Schaden anrichten, als er im Stande ist, wieder wett zu machen?
Dieser Perspektive kann ich nur die Perspektive des Glaubens entgegenhalten. Ich glaube, dass das Leben einen Sinn hat. Nicht aus sich heraus, sondern von Jemandem her. Und ich möchte auf diesen Jemand hören, der meinem Leben einen Sinn verleiht, damit ich diesen finden kann, indem ich ganz einfach der bin, der ich von Ihm her bin – auch wenn ich ganz äußerlich betrachtet die Welt nicht unbedingt besser mache. Wenn sie einer besser macht, dann Er, der ihr auch Sinn verleiht. Denn hätte die Welt keinen Sinn, dann müsste ich zustimmen: ohne den Menschen wäre sie wohl besser.