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FOTO: KAPU­ZI­NER

BR. CHRISTIAN ALBERT

Chris­ti­an Albert wur­de 1986 in Rin­te­len gebo­ren. Mit 22 Jah­ren trat der gelern­te Bank­kauf­mann bei den Kapu­zi­nern ein. Dort mach­te er eine Aus­bil­dung zum Koch und leb­te im Klos­ter zum Mit­le­ben in Stüh­lin­gen sowie in Lima/Peru. Seit Juni 2020 arbei­tet Br. Chris­ti­an in Albanien.

29. Dezem­ber 2021

Br. Christian in Albanien: „Erstaunt und berührt“

Chris­ti­an Albert ist Kapu­zi­ner und Koch. Er lebt gemein­sam mit einem Mit­bru­der in Alba­ni­en, in einer der ärms­ten Regio­nen des Lan­des. Hier berich­tet der jun­ge Ordens­mann über sei­ne Erfah­run­gen vor Ort.

Seit Som­mer 2020 lebe ich in Alba­ni­en. Beson­ders der Beginn war natür­lich von Coro­na geprägt. Wie über­all und bei jedem hat die Pan­de­mie auch bei mir eini­ges durch­ein­an­der­ge­bracht, Plä­ne durch­kreuzt, Vor­ha­ben aus­ge­bremst. Eigent­lich soll­te es schon am Jah­res­an­fang 2020 los­ge­hen. Auf gepack­ten Kof­fern saß ich im Kon­vent Frank­furt. Dort hat­te ich mich mit einem Sprach­kurs auf den Ein­satz in Alba­ni­en vor­be­rei­tet. Nun aber ging es nicht wei­ter. Der ers­te Lock­down ver­hin­der­te die Abrei­se. Auf unbe­stimm­te Zeit soll­te ich also wei­ter­hin in Frank­furt blei­ben. Aus Fus­hë-Arrëz hör­te ich der­weil, dass die Ein­schrän­kun­gen dort noch viel stren­ger waren, als bei uns in Deutsch­land. Eine strik­te und poli­zei­lich kon­trol­lier­te Aus­gangs­sper­re über meh­re­re Wochen leg­te das Leben im gan­zen Land lahm. Im Juni war es dann soweit. Gren­zen wur­den geöff­net und Rei­sen waren wie­der mög­lich, wenn auch erschwert, unter beson­de­ren Bedin­gun­gen. Als die Flug­zeu­ge wie­der abho­ben, mach­te ich mich auf den Weg in den Balkanstaat.

Allen Regeln und Ein­schrän­kun­gen der ver­gan­ge­nen Mona­te zum Trotz, erwar­te­te mich hier eine unge­wohn­te Nor­ma­li­tät. Das Flug­ha­fen­ge­bäu­de in Tira­na schien die letz­te gesi­cher­te Fes­tung gegen die Pan­de­mie zu sein, in die man nur nach stren­ger Kon­trol­le hin­ein und hin­aus kam. Ein­mal die Des­in­fek­ti­ons­schläu­sen pas­siert, glaub­te ich alles ver­ges­sen. Men­schen­trau­ben dräng­ten sich in der „Kiss and Fly Area“, Taxi­fah­rer buhl­ten um Kun­den und irgend­wo dazwi­schen war­te­te Bru­der Andre­as Wal­ter­mann auf mich.

Als ob es das Virus gar nicht gäbe, leb­ten die Men­schen ihren All­tag. Die Aus­gangs­sper­ren im Lock­down waren bei­na­he ver­ges­sen. Das war unge­wohnt für mich, hat­ten wir in Deutsch­land doch gelernt Abstand zu hal­ten und auf­ein­an­der Rück­sicht zu neh­men, um sich so gegen­sei­tig vor einer Anste­ckung zu schüt­zen. In Shko­dër erleb­te ich, wie Poli­zis­tin­nen die Leu­te ermun­ter­ten, ihre Mas­ken zu tra­gen und über den Sinn der Maß­nah­men auf­klär­ten, jedoch mit nur mäßi­gem Erfolg. Die Men­schen woll­ten ein­fach zurück zur Nor­ma­li­tät und die­sen Wunsch konn­te ich durch­aus nachvollziehen.

Die Kir­che muss zu den Men­schen gehen

In Fus­hë-Arrëz galt es dann erst­mal unter den beson­de­ren Bedin­gun­gen anzu­kom­men. Ich zog in das Häus­chen am Ran­de der Mis­si­ons­sta­ti­on ein, in dem Bru­der Andre­as und ich seit­her als klei­ne Kapu­zi­ner­ge­mein­schaft zusam­men­le­ben. Von Anfang an war ich inte­griert in das Leben und die Tätig­kei­ten von Bru­der Andre­as und Schwes­ter Gra­ti­as. Natür­lich mit Ein­schrän­kun­gen, die vor allem auf mei­nen man­geln­den Sprach­kennt­nis­sen beruh­ten. Zwei Mona­te zusam­men mit unse­ren Kapu­zi­ner­brü­dern im Kon­vent in Shko­dër hal­fen mir, die alba­ni­sche Spra­che etwas bes­ser zu erler­nen. Jedoch soll­te es noch wei­te­re Mona­te mit vie­len Anstren­gun­gen, Höhen und Tie­fen, dau­ern, bis ich die frem­de Spra­che eini­ger­ma­ßen all­tags­taug­lich beherrsch­te. Das war erst in die­sem Som­mer soweit, als die „Som­mer­mis­si­on“ vor der Tür stand.

In unse­rer alba­ni­schen Diö­ze­se Sapa gibt es wäh­rend der Schul­fe­ri­en die soge­nann­te Som­mer­mis­si­on. Zum Hin­ter­grund: Das Bis­tum erstreckt sich über die fla­che, dich­ter besie­del­te Feld­re­gi­on des Zadrim und über die Berg­re­gi­on von Puka und Tro­po­ja. Wäh­rend die Gemein­den im Flach­land rund um die Bischofs­stadt Vau-Dejës durch Pries­ter und Ordens­leu­te seel­sorg­lich gut ver­sorgt sind, fehlt es in den Ber­gen an seel­sorg­li­chen Ange­bo­ten. Zum Bei­spiel ist unse­re Nach­bar­pfar­rei seit fast vier Jah­ren ohne Pfar­rer. In der drei­wö­chi­gen Som­mer­mis­si­on gehen also Pries­ter, Ordens­leu­te, pas­to­ra­le Mit­ar­bei­ter, als Kate­chis­ten enga­gier­te Lai­en und Jugend­li­che in die Berg­re­gio­nen. Vor Ort gibt es dann Tref­fen zur Kate­che­se, Vor­be­rei­tung der Kan­di­da­ten auf Tau­fe, Erst­kom­mu­ni­on, Fir­mung und Ehe. Fami­li­en wer­den in ihren Häu­sern besucht, ihre Sor­gen und Nöte gehört. Kin­der- und Jugend­ta­ge wer­den organisiert.

Den Men­schen zei­gen, dass sie nicht ver­ges­sen sind

In die­sem Jahr beschlos­sen wir, etwas mehr zu tun. Bei einem Besuch in der Regi­on um Lek­bi­baj erkann­te Bru­der Andre­as die Not­wen­dig­keit eines Enga­ge­ments von „Kir­che“ in die­sem Gebiet. Eini­ge Dör­fer dort sind so abge­le­gen, dass selbst die Som­mer­mis­si­on der Diö­ze­se dort nicht hin­ge­langt. Zwei­ein­halb Wochen waren wir also dort in den Berg­dör­fern unter­wegs. Unter­kunft fan­den wir im Haus der fran­zis­ka­ni­schen Schwes­tern­ge­mein­schaft in Dus­haj. Mit Gelän­de­wa­gen fuh­ren wir von dort zunächst eine hal­be Stun­de über eine kur­ven­rei­che, aber asphal­tier­te Stra­ße zum Ort Lek­bi­baj. Dann folg­te eine wei­te­re Auto­stun­de über Schot­ter­pis­ten. Als die befahr­ba­re Stra­ße ende­te, hat­ten wir manch­mal noch bis zu einer Stun­de Fuß­weg vor uns.

In den Dör­fern wur­den wir freund­lich auf­ge­nom­men. Vie­le Men­schen freu­ten sich sehr dar­über, dass „die Kir­che“ auch zu ihnen kommt. Selbst in ihre weit abge­le­ge­nen Dör­fer. Und das ist viel­leicht auch das größ­te Zei­chen, das wir in die­sen Tagen getan haben: Den Men­schen zu zei­gen, dass sie nicht ver­ges­sen sind. Zusam­men mit Schwes­ter Dila, dem Pas­to­ral­as­sis­ten­ten Marash und Denis, einem Jugend­li­chen aus unse­rer Gemein­de, kam ich in die­ser Zeit in vie­le Häu­ser. Wir besuch­ten Fami­li­en und allein zurück­ge­blie­be­ne alte Men­schen. Wir kamen ins Gespräch über ihre Lebens­si­tua­ti­on, über Sor­gen und Nöte, über Wün­sche für die Zukunft ihrer Kin­der, über Über­le­gun­gen, ihr Dorf und die Hei­mat zu ver­las­sen, um es an einem ande­ren Ort viel­leicht bes­ser zu haben. Aber auch über unse­ren Glau­ben spra­chen wir und über die in ihrer Welt und in ihrem All­tag geleb­te Glau­bens­pra­xis. Mit den Tagen in die­ser Regi­on und im Kon­takt mit den Men­schen dort, lern­te ich etwas von ihrer Kul­tur ken­nen und nach und nach hör­te ich mich auch in den mir völ­lig frem­den Dia­lekt ein.

Die Kir­che ist mehr als ein Gebäude

Mit den Dorf­be­woh­nern, Alten wie Jun­gen, tra­fen wir uns täg­lich zur Kate­che­se. Das gro­ße Ver­lan­gen danach, etwas von Jesus Chris­tus zu hören, hat mich erstaunt und berührt. Ich erin­ne­re mich ger­ne an die dich­te Atmo­sphä­re unse­rer Tref­fen im Dorf Bri­zë. Wie auf­merk­sam alle, vom Kind bis zum Dorf­äl­tes­ten, dabei waren, wie sie inter­es­siert nach­frag­ten. Sie lie­ßen ihre Arbeit auf den Fel­dern ruhen, die es selbst­ver­ständ­lich spä­ter nach­zu­ho­len galt, um bei unse­ren Tref­fen dabei zu sein. Wir tra­fen uns an dem Ort, den sie nur „Vend i Kishës“ – also Ort der Kir­che nann­ten, an dem bis zur Zer­stö­rung durch die Kom­mu­nis­ten ihre Dorf­kir­che stand. Für die klei­ne Kirch­turm­glo­cke hat­ten sie damals ein Ver­steck in einem Erd­loch geschaf­fen und sie so vor der Ver­nich­tung bewahrt. Nach dem Fall des Regimes erin­ner­te man sich an das Ver­steck und häng­te die Glo­cke in einen Baum, nahe des Ortes, an dem sie frü­her in einem Kirch­turm hing. Am Ende der Mis­si­on in Bri­zë rief die Glo­cke wie­der zum Got­tes­dienst. Drau­ßen, im Schat­ten der Bäu­me des Fried­hofs, fei­er­ten wir zusam­men Eucha­ris­tie. Es war eine ein­drück­li­che Fei­er, in der meh­re­re Jugend­li­che getauft wur­den. Auch wur­de das Sakra­ment der Fir­mung gespen­det und vie­le der Mit­fei­ern­den tra­ten zum ers­ten Mal an den Tisch des Herrn, um am Abend­mahl teil­zu­neh­men und Jesus in der Gestalt des Bro­tes zu empfangen.

Auf die Zeit in den Berg­dör­fern folg­ten für mich drei wei­te­re Wochen in der Regi­on Tro­po­ja, in denen mei­ne Lei­den­schaft, das Kochen, nicht zu kurz kam. Neben vie­len wei­te­ren Haus­be­su­chen und Seg­nun­gen von Häu­sern und Woh­nun­gen sorg­te ich näm­lich als Koch für eine gro­ße Grup­pe von Mit­ar­bei­ten­den in der Sommermission.

Im Gegen­satz zum ver­gan­ge­nen Jahr, konn­te ich mich in die­sem Som­mer stär­ker ein­brin­gen. Ganz ein­fach des­halb, weil die Sprach­bar­rie­re nicht mehr so groß ist. Natür­lich muss ich noch wei­ter­hin viel an mei­nem Alba­nisch arbei­ten, aber immer­hin kann ich mich jetzt schon ganz gut mit den Leu­ten ver­stän­di­gen. Für ein Gespräch bei einer Tas­se „Kafe tur­ke“ reicht es auf jeden Fall aus.

Im Win­ter wird es ruhiger

Die Som­mer­zeit auf der Mis­si­ons­sta­ti­on ist beson­ders arbeits­reich. In ganz unter­schied­li­chen Berei­chen gibt es eini­ges zu tun. Vie­le Pro­jek­te, wie zum Bei­spiel die Haus­bau­ten und Reno­vie­run­gen, lau­fen nur im Som­mer. Hin­zu kom­men Akti­vi­tä­ten wie die Som­mer­mis­si­on, Besu­che und Haus­seg­nun­gen bei den Gemein­de­mit­glie­dern in Fus­hë-Arrëz und in den Dör­fern in der nähe­ren Umge­bung, eine Feri­en­frei­zeit für unse­re Minis­tran­ten und vie­les mehr. Jetzt im Win­ter ist es ruhi­ger. Es bleibt mehr Zeit für Büro­ar­beit oder auch, um mal wie­der ein gutes Buch zu lesen. Und ich kann mei­nem Blog, in dem ich aus Alba­ni­en berich­te (www.albanien.blog), wie­der etwas mehr Zeit widmen.

 

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