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FOTO: KAPU­ZI­NER

BR. Guido Kreppold

wur­de 1939 gebo­ren und trat mit 20 Jah­ren in den Kapu­zi­ner­or­den ein. Der Pries­ter und Psy­cho­lo­ge lebt im Kapu­zi­ner­klos­ter in Ingolstadt.

19. April 2022

Die Angst geht um! Wie ihr begegnen?

Angst. Ein Wort, das in die­sen Tagen des Krie­ges vie­le Men­schen beschäf­tigt. Wie mit die­ser Angst umge­hen? Der Kapu­zi­ner und Psy­cho­lo­ge Gui­do Krep­pold gibt Hin­wei­se zur Begeg­nung mit der Angst. 

Die Nach­rich­ten der letz­ten Tage sind so erschüt­ternd, dass sie poli­ti­sche Ein­stel­lun­gen umwer­fen, alte Sicher­hei­ten durch­bre­chen, Cha­os und Ver­wir­rung aus­lö­sen, aber auch Poli­ti­ker und Völ­ker einen und zur Ent­schlos­sen­heit zwin­gen. Hin­ter allem steht die Angst. So gewal­tig wie sel­ten in den letz­ten Jahr­zehn­ten. Allein schon, wenn das Wort „Atom“ fällt, stockt das Blut in den Adern, ganz gleich, ob damit ein bren­nen­des Kraft­werk, Waf­fen oder Krieg ver­bun­den werden.

Vor uns steht die Fra­ge: „Wie mit der Angst umgehen?“

Wir müs­sen fest­stel­len: Nicht wir gehen um, son­dern die Angst geht um! Nicht ich habe die Angst, son­dern die Angst hat mich! „Da geht es um!“ sag­te man in frü­he­ren Zei­ten von einem Ort, wo es einem unheim­lich wur­de. Man dach­te an Gespens­ter, die heu­te genau­so ihre Wir­kung tun, wenn man sie als Aus­druck der Angst sieht.

Die Abschaf­fung des Teu­fels, um die sich renom­mier­te Theo­lo­gen müh­ten, hat nicht das gebracht, was man erhoff­te. Sie hat die Angst nicht besei­tigt. Sie kann nach wie vor wesent­lich die Atmo­sphä­re bestim­men, gera­de in die­sen Tagen des Krieges.

Im klei­nen Kreis und im All­tag kann man beob­ach­ten: Gesich­ter und Gesprä­che erstar­ren, nur noch das Nötigs­te wird gesagt, Gefüh­le sind wie ein­ge­fro­ren. Statt Ver­trau­en herr­schen Vor­sicht und Miss­trau­en in den Bezie­hun­gen, die schei­tern, in den Fami­li­en, die zer­bre­chen. Das gilt auch im kirch­li­chen Raum, wo Mei­nun­gen unver­söhn­lich aufeinanderprallen.

Hin­ter fins­te­ren Bli­cken sit­zen Ärger, Zorn, Angst. Gera­de zu dem Men­schen, der einem am nächs­ten steht, traut man sich nicht zu sagen, was einem auf der See­le brennt – aus Angst, den ande­ren zu ver­let­zen, ihn zu ver­lie­ren oder in einen Kon­flikt zu gera­ten, bei dem man den Kür­ze­ren zieht. So ist man ein­ge­schüch­tert und sieht die Wirk­lich­keit ver­zerrt. Die Tren­nung wird oft zum ein­zi­gen Aus­weg, Ver­bit­te­rung und Zorn bleiben.

Die Angst ist eine auto­no­me Macht, wel­che ganz gewöhn­li­che Men­schen, Poli­ti­ker und gan­ze Völ­ker gefan­gen nimmt. Mit die­ser Ein­sicht haben wir uns schon ein Stück von der Gewalt distan­ziert. Es bleibt die Auf­ga­be, uns gegen die­se Macht zu schützen.

Schutz­räu­me

Es ist wie im Krieg. Man muss siche­re Räu­me auf­su­chen, schüt­zen­de Erleb­nis­räu­me. Gut ist es, wenn uns Men­schen ein­fal­len, zu denen wir Ver­trau­en haben, aus unse­rem Freun­des­kreis oder auch von anders­wo­her. Ent­schei­dend ist, dass wir das sagen kön­nen, was uns bedrückt, was nie­mand erwar­tet hat, womit man alle ent­täuscht, was einer Nie­der­la­ge gleicht.

Ein sol­cher Fall ist zum Bei­spiel, wenn es in der Ehe nicht mehr stimmt. Wem kann ich sagen, dass wir uns wahr­schein­lich tren­nen müs­sen? Ver­trau­ens­vol­le Gesprä­che fas­sen den trei­ben­den Grund der Angst in kon­kre­te Wor­te, decken Ursa­chen und Zusam­men­hän­ge auf, stär­ken das Selbst­wert­ge­fühl gegen ver­let­zen­de, ent­wer­ten­de und ent­wür­di­gen­de Angrif­fe. Sie erleich­tern den inne­ren Druck und rücken die Pro­ble­me etwas von einem weg. Die Angst bekommt einen fass­ba­ren Namen und hat uns nicht mehr so fest im Griff.

Was ist aber, wenn man Per­so­nen des Ver­trau­ens nicht zur Hand hat? Oft wird dann auf eine psy­cho­lo­gi­sche Bera­tungs­stel­le ver­wie­sen. Von der lan­gen War­te­zeit mal abge­se­hen, tau­chen vie­le von Angst geschür­te Wider­stän­de auf. „Wer zum Psy­cho­lo­gen geht, ist doch nicht mehr nor­mal“, den­ken die andern oder man glaubt, dass ande­re so den­ken. Weni­ger Hem­mun­gen gibt es gewöhn­lich, wenn der/Ansprechpartner/in im Rah­men der Seel­sor­ge zu fin­den ist. Ande­re wie­der­um neh­men eher einen qua­li­fi­zier­ten Psy­cho­the­ra­peu­ten in Anspruch und tra­gen hohe Kos­ten, als dass sie bei der kirch­li­chen Seel­sor­ge um Hil­fe bit­ten. Egal wel­chen Weg man wählt: Ent­schei­dend sind Ein­füh­lung, Wert­schät­zung und Echt­heit. Ganz gleich, wel­chen Titel die oder der Bera­ten­de hat.

Ein fes­ter Standpunkt

Nach einem gelun­ge­nen Gespräch ver­än­dern sich Blick und Weg der Hil­fe­su­chen­den. Sie haben für eine Aus­ein­an­der­set­zung und eine Ent­schei­dung einen fes­te­ren Stand­punkt gefun­den. Dies wird auch in der Kör­per­hal­tung sicht­bar. Man sieht sie auf­rech­ter, nicht mehr so bedrückt und gebeugt wie unter einer zent­ner­schwe­ren Last.

Man kann auch mit der Kör­per­hal­tung begin­nen, indem man sich ein­mal Zeit nimmt, sich bewusst hin­stellt und sich fragt: Wie ste­he ich da? Je mehr ich den Kon­takt unter den Füßen spü­re, je mehr ich mit der Erde ver­bun­den bin, je mehr ich einen fes­ten Stand­punkt im wört­li­chen Sinn habe, umso mehr rich­tet sich der Kör­per auf, ste­he ich auf­recht und wer­de auch auf­rich­ti­ger. Die­sel­be Wir­kung hat auch das Sit­zen. Es ist hilf­reich für den Kör­per wie für die inne­re Ein­stel­lung, am Schreib­tisch eine auf­rech­te Hal­tung ein­zu­neh­men und die Unter­la­ge bewusst wahr­zu­neh­men. Es ist weni­ger ermü­dend, beugt gegen Rücken­schmer­zen vor und stärkt das see­li­sche Immun­sys­tem gegen die Angst.

Am inten­sivs­ten ist die­se Erfah­rung beim Sit­zen im Stil des Zens. Man muss nur mit unter­ge­schla­ge­nen Bei­nen auf­recht sit­zen, sei­nen Atem und die abso­lu­te Stil­le wahr­neh­men, jede Bewe­gung abstel­len. Die Wir­kung sieht man in den erfüll­ten und fro­hen Gesich­tern der Teil­neh­mer am Ende sol­cher Kurse.

Kin­der­ängs­te

Auf Schutz­räu­me gegen die Angst sind als aller­ers­te unse­re Kin­der angewiesen.
Ent­schei­dend ist, wie weit die nächs­te Mut­ter, Vater, Oma selbst gegen die Angst gefes­tigt und wie tief sie mit dem Kind ver­bun­den sind. Ganz wich­tig ist dabei der spon­ta­ne kör­per­li­che Kon­takt. Wie von selbst drückt man die Kin­der an sich und hält sie an der Hand. Es geschieht eher, als dass man es absicht­lich macht.

Ein wesent­li­cher Punkt ist, ob Kin­der über alles reden dür­fen, was sie außen oder im Fern­se­hen gese­hen und erlebt haben, ob dazu die nöti­ge Zeit und das Ver­ständ­nis gege­ben ist und kei­ne Sank­tio­nen zu erwar­ten sind, wenn etwas schief­ge­lau­fen ist. Ob dies alles mög­lich ist, hängt davon ab, wie weit die beja­hen­de, lie­ben­de Aus­strah­lung der Eltern reicht.

Ängs­te der Kin­der sind die Ängs­te der Eltern, zumin­dest hän­gen sie engs­tens zusam­men. Des­halb ist es hilf­reich, mit den eige­nen zu begin­nen. Dies wird sich auf die Kin­der aus­wir­ken. Für kon­kre­te Rat­schlä­ge bei Sor­gen und Ängs­ten der Kin­der gibt es auch eine „Num­mer gegen Kum­mer“- ein tele­fo­ni­sches Bera­tungs­an­ge­bot 116 111.

Rosen­kranz und Wallfahrt

Für gläu­bi­ge Men­schen ist immer noch das Gebet das Mit­tel gegen die Angst. In der Zeit, als Euro­pa von den Tür­ken bedroht wur­de, pfleg­te man beson­ders das Rosen­kranz­ge­bet. Man ver­ehr­te die Schutz­man­tel­ma­don­na. Das Lied „Maria breit den Man­tel aus“ ent­stand. Vie­le waren über­zeugt, dass der Sieg bei Lepan­to 1571 dem Rosen­kran­ge­bet zu ver­dan­ken war. Kri­ti­ker mel­den da Zwei­fel an, aber ganz gleich, wie man dar­über denkt: Das Rosen­kranz­ge­bet und die Vor­stel­lung vom Schutz­man­tel haben die Angst ver­rin­gert. Das gemein­sa­me Rezi­tie­ren beru­higt, schafft Kon­zen­tra­ti­on und Sicher­heit. Die­ser Effekt macht das Rosen­kran­ge­bet beliebt und zum inne­ren Zufluchtsort.

Seit alten Zei­ten unter­neh­men Gläu­bi­ge gegen Sor­gen und Nöte eine Wall­fahrt. In den letz­ten Jahr­zehn­ten wur­de die Fuß­wall­fahrt neu ent­deckt und als äußerst berei­chernd erfah­ren. Wer vie­le Tage nur sei­ne Füße auf der Erde spürt, der weiß, was Boden­kon­takt bedeu­tet. Zugleich ist es die bes­te Übung, bewusst den Schmerz aus­zu­hal­ten und anzu­neh­men, statt mit allen Mit­teln den Schmerz zu vermeiden.

Dies gilt für alle Pro­ble­me. Wer Ängs­ten bewusst ins Auge schaut und sich mit ihnen aus­ein­an­der­setzt, wird an per­sön­li­cher Stär­ke wach­sen. Hilf­reich ist dabei das Sit­zen in abso­lu­ter Stil­le. Wer es übt, kann bestä­ti­gen, dass sich hier eine Quel­le von Ener­gie und Dyna­mik öff­net und die Angst schwin­det. Die Begrif­fe „Ener­gie“ und „Dyna­mik“ sind im Übri­gen urchrist­li­che Begrif­fe. Sie kom­men aus dem Grie­chi­schen „ener­geia“ und „dyna­mis“ (Eph.1,19–20; Apg.1,8) und ste­hen als Aus­druck für die Kraft Got­tes und des Geis­tes, wel­cher stär­ker ist als der Tod und die Mäch­te der Zeit.

Die­ser Text von Gui­do Krep­pold ist zuerst in der Münch­ner Kir­chen­zei­tung erschienen. 

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