Foto: Kapuziner
BR. HELMUT RAKOWSKI
wurde 1962 in Mainz geboren und ist seit 1981 Kapuziner. Er ist Provinzvikar und geistlicher Direktor der katholischen Journalistenschule ifp. Zurzeit lebt er im Konvent in München.
Auf der Seite der Armen und der Entrechteten
„Wir sind aufeinander angewiesen“: Der Kapuziner Helmut Rakowski kommentiert die neue Enzyklika und ihren Bezug auf die Themen der Mission. Für ihn steht fest: „Papst Franziskus stellt sich auf die Seite der Armen und Entrechteten.“
Noch vor 50 Jahren gehörten Missionarinnen und Missionare zu den wenigen, die eine Brücke zu fernen Ländern und fremden Kulturen bildeten. Mit ihren Berichten ermöglichten sie einen Blick in unbekannte Teile der Welt. Heute bekommen wir das ins Wohnzimmer geliefert und können, mit dem notwendigen Kleingeld und etwas Abenteuerlust, überall hinreisen. Die Weltbevölkerung ist eng zusammengerückt, aber das heißt nicht, dass wir einander näher stehen.
Von einem geplatzten Traum (FT 10) schreibt Papst Franziskus gar zu Beginn seiner Enzyklika „Fratelli tutti“. Von neuem erscheine „die Versuchung, eine Kultur der Mauern zu errichten, Mauern hochzuziehen, Mauern im Herzen, Mauern auf der Erde, um diese Begegnung mit anderen Kulturen, mit anderen Menschen zu verhindern. Und wer eine Mauer errichtet, wer eine Mauer baut, wird am Ende zum Sklaven innerhalb der Mauern, die er errichtet hat, ohne Horizonte. Weil ihm dieses Anderssein fehlt“ (FT 27).
Papst Franziskus stellt sich auf die Seite der Armen und Entrechteten und derer, die „Anders“ sind. Wie er in Argentinien habe ich in Mexiko die Folgen eines ungebremsten Kapitalismus und der Globalisierung erlebt. Wer bei den Armen lebt, egal ob bei uns oder anderswo, weiß es zu schätzen, dass der Papst sich für „Geschwisterlichkeit und soziale Freundschaft“ einsetzt.
Im 2. Kapitel seines Schreibens betrachtet Papst Franziskus ausführlich das Gleichnis vom barmherzigen Samariter und sieht darin eine grundlegende Option: „Angesichts so großen Leids und so vieler Wunden besteht der einzige Ausweg darin, so zu werden wie der barmherzige Samariter“ (FT 67).
Die Kirche »hat eine öffentliche Rolle, die sich nicht in ihrem Einsatz in der Fürsorge oder der Erziehung erschöpft«, sondern sich in den »Dienst der Förderung des Menschen und der weltweiten Geschwisterlichkeit« stellt. Wir sollen „eine Kirche sein, die dient, die aufbricht, die aus ihren Kirchen herausgeht, die aus ihren Sakristeien herausgeht, um das Leben zu begleiten, die Hoffnung zu unterstützen und Zeichen der Einheit […] zu sein […], um Brücken zu spannen, Mauern zu durchbrechen und Versöhnung auszusäen«.“ (FT 276)
Heute kommen Missionarinnen und Missionare auch zu uns als Seelsorger, in sozialen Diensten oder anderswo. Sie bringen die Welt zu uns und erinnern uns daran, dass wir alle aufeinander angewiesen sind, dass jeder gibt und gleichzeitig empfängt. Wir tun gemeinsam Gutes in der Ferne und in der Nähe und entdecken im Nächsten die Schwester, den Bruder. Im Gebet, mit dem der hl. Vater sein Schreiben abschließt, heißt es: „Gib, dass wir Christen das Evangelium leben und in jedem Menschen Christus sehen können, dass wir ihn in der Angst der Verlassenen und Vergessenen dieser Welt als den Gekreuzigten erkennen und in jedem Bruder, der sich wieder erhebt, als den Auferstandenen.“