Interview

FOTO: KAPUZINER/LÊMRICH

BR. Leonhard Lehmann

wur­de 1947 in Zell am Har­mers­bach gebo­ren und blickt auf eine lan­ge wis­sen­schaft­li­che Lauf­bahn zurück. So lehr­te Bru­der Leon­hard 30 Jah­re lang in Rom fran­zis­ka­ni­sche Spi­ri­tua­li­tät. Er pro­du­ziert den Pod­cast „SANCTUM_Franziskanische Hei­li­ge“.

17. Juni 2021

„Franz von Assisi weist Wege in die Zukunft“

Bru­der Leon­hard Leh­mann ist einer der bekann­tes­ten Fran­zis­kus­for­scher. Der Kapu­zi­ner pro­du­ziert auch einen Pod­cast zu fran­zis­ka­ni­schen Hei­li­gen. Im Inter­view sagt der Theo­lo­ge, war­um wir uns auch heu­te mit die­sen Vor­bil­dern beschäf­ti­gen sol­len und was sein „Lieb­lings-Hei­li­ger“ ist. 

Bru­der Leon­hard, war­um soll­ten wir uns in die­sen Zei­ten über­haupt noch mit Hei­li­gen beschäftigen?

Heu­te lei­den vie­le Men­schen dar­un­ter, dass ihnen das Leben leer und sinn­los erscheint. Vie­le haben kei­ne Leit­bil­der mehr, nach denen sie ihren Weg aus­rich­ten kön­nen. Oder sie sind auf der Suche nach die­sen Vor­bil­dern. Hier kön­nen Frau­en und Män­ner hel­fen, die als Hei­li­ge oder Seli­ge die Nach­fol­ge Chris­ti ver­wirk­licht haben. Dazu gehö­ren seit der Zeit der Apos­tel Men­schen aus allen Jahr­hun­der­ten und aus allen Regio­nen. Eine span­nen­de Vielfalt.

Wie wird man eigent­lich zum Heiligen?

Im ers­ten Jahr­tau­send stell­ten sich Hei­li­ge dadurch her­aus, dass sie vom Volk lan­ge ver­ehrt und die­se Ver­eh­rung dann vom Bischof aner­kannt wur­de. Als im 12. und 13. Jahr­hun­dert die Hei­li­gen­ver­eh­rung so zunahm, dass sie zur Kon­kur­renz zwi­schen Städ­ten und Diö­ze­sen führ­te, griff der Papst Inno­zenz III. (1198–1216) ein, for­der­te einen kirch­li­chen Pro­zess und reser­vier­te sich das Recht auf die Heiligsprechung.

Seit­dem gibt es ein kir­chen­recht­li­ches Ver­fah­ren. Wie sieht das aus? 

Besteht in einer Gegend oder Ordens­ge­mein­schaft das Inter­es­se, einen ver­stor­be­nen Katho­li­ken als selig oder hei­lig zu ver­eh­ren, so kann eine grö­ße­re Grup­pe von Men­schen durch Unter­schrif­ten beim Bischof der betref­fen­den Diö­ze­se eine Selig­spre­chung bean­tra­gen. Das Ver­fah­ren glie­dert sich dann in einen Tugend- und einen Wunderprozess.

Es soll der heroi­sche Tugend­grad fest­ge­stellt und der Kan­di­dat als Vor­bild im Glau­ben erwie­sen werden

Was heißt das konkret?

Der Tugend- oder Infor­ma­tiv­pro­zess wird in der Regel in der Diö­ze­se geführt, in wel­cher der „Die­ner Got­tes“ den größ­ten Teil sei­nes Lebens ver­bracht hat. In die­ser Erhe­bung soll der heroi­sche Tugend­grad fest­ge­stellt und der Kan­di­dat als Vor­bild im Glau­ben erwie­sen wer­den. Nach Abschluss die­ses loka­len Infor­ma­tiv­pro­zes­ses wird alles Mate­ri­al an die Kon­gre­ga­ti­on für Hei­lig­spre­chun­gen in Rom geschickt. Bestä­tigt die­se den heroi­schen Tugend­grad, kann ein Mär­ty­rer sofort selig­ge­spro­chen wer­den. Für alle ande­ren beginnt dann der Wun­der­pro­zess, in dem für die Selig­spre­chung min­des­tens eine auf die Für­spra­che des Kan­di­da­ten erfolg­te, medi­zi­nisch nach­ge­wie­se­ne Hei­lung vor­ge­legt wer­den muss.

Und wo ist der Unter­schied zwi­schen einem Hei­li­gen und einem Seligen?

Für die Hei­lig­spre­chung wird das gan­ze Ver­fah­ren, das ich beschrie­ben habe, wie­der­holt. Und zwar unter dem Gesichts­punkt, ob die Kan­di­da­tin oder der Kan­di­dat als Vor­bild für die gan­ze Welt­kir­che gel­ten kann.

War­um ste­hen eigent­lich so vie­le Hei­li­ge im Kalender?

Das II. Vati­ka­ni­sche Kon­zil in den Jah­ren 1962 bis 1965 brach­te mit der erneu­er­ten Lit­ur­gie auch eine Neu­ord­nung des Hei­li­gen­ka­len­ders mit sich. Legen­dä­re, aber his­to­risch nicht nach­weis­ba­re Hei­li­ge wur­den gestri­chen. Johan­nes Paul II. hat in sei­nem lan­gen Pon­ti­fi­kat weit mehr Die­ne­rin­nen und Die­ner Got­tes selig- und hei­lig­ge­spro­chen als jeder Papst zuvor. Er woll­te damit her­aus­stel­len, dass es in dem von Ideo­lo­gien beherrsch­ten fins­te­ren 20. Jahr­hun­dert auch christ­li­che Leuch­ten gab. Dar­um sind unter den neu­en Hei­li­gen vie­le Mär­ty­re­rin­nen und Mär­ty­rer der Nazi­zeit, des Kom­mu­nis­mus und des spa­ni­schen Bürgerkriegs.

Hei­li­ge und Seli­ge zei­gen uns, wie das Evan­ge­li­um kon­kret gelebt wer­den kann

Sie beschäf­ti­gen sich im Kapu­zi­ner-Pod­cast „Fran­zis­ka­ni­sche Hei­li­ge“ regel­mä­ßig und inten­siv mit die­sen Frau­en und Män­nern. Was bedeu­ten Hei­li­ge für Ihr Leben?

Als ich noch ein Kind war, hat mir mei­ne Oma vor allem im Win­ter nicht nur aus Grimms Mär­chen vor­ge­le­sen, son­dern an man­chen Aben­den auch aus der Hei­li­gen­le­gen­de des Mar­tin von Cochem. Wir saßen auf der Bank am war­men Ofen, und ich hat­te immer vie­le Fra­gen zu jeder Geschich­te. Spä­ter las ich dann gern sel­ber die Mär­chen und die Legen­den und erzähl­te sie nach. Im Novi­zi­at 1967 bekam jeder von uns fünf Novi­zen einen hei­li­gen Kapu­zi­ner zuge­teilt, um im Novi­zen-Unter­richt über sein Leben und sei­ne Bedeu­tung zu spre­chen. Mich traf der hei­li­ge Fide­lis von Sig­ma­rin­gen. Also las ich Bio­gra­fien über ihn und sein schreck­li­ches Mar­ty­ri­um und stell­te ihn dann in Wort und Bild vor. Als ich spä­ter sel­ber in der Aus­bil­dung tätig war, riet ich jedem jun­gen Ordens­bru­der, jedes Jahr wenigs­tens eine Bio­gra­fie über eine her­aus­ra­gen­de Per­son zu lesen; das müs­sen nicht immer Hei­li­ge sein. Doch Seli­ge und Hei­li­ge hel­fen dazu, uns mit dem Orden zu iden­ti­fi­zie­ren. Und sie zei­gen, dass und wie das Evan­ge­li­um kon­kret gelebt wer­den kann.

Haben Sie einen „Lieb­lings-Hei­li­gen“ und warum?

Von Jugend an Franz von Assi­si, weil er in Schul­bü­chern vor­kam und in einem Thea­ter­spiel; spä­ter dann wegen sei­ner Natur­lie­be. Heu­te, weil er kon­se­quent die Berg­pre­digt leb­te, ohne fana­tisch zu wer­den. Ich sehe, dass er vie­le Men­schen inspi­rier­te und heu­te noch inspi­riert und in allen Reli­gio­nen geschätzt wird. Sein Lebens­pro­gramm ist so aktu­ell, dass der jet­zi­ge Papst den Namen Fran­zis­kus wähl­te und des­sen Idee der Geschwis­ter­lich­keit zum Aus­gangs­punkt sei­ner zwei letz­ten Enzy­kli­ken mach­te. Der Hei­li­ge aus Assi­si ist somit nicht nur beliebt, son­dern er weist auch Wege in die Zukunft.

 

Den Pod­cast „SANCTUM_Franziskanische Hei­li­ge“ mit Bru­der Leon­hard Leh­mann kön­nen Sie in Ihrem Pod­cast-Play­er abon­nie­ren (nach „POD­KAP“ suchen!) oder hier auf der Inter­net-Sei­te anhö­ren (kli­cken Sie hier).

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