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FOTO: Tobi­as Rauser

Bruder Jürgen Maria Böhm und Bruder Rudolf Dingenotto

leben gemein­sam im Kapu­zi­ner­kon­vent in Frank­furt am Main. Br. Jür­gen Maria (links) ist Kapu­zi­ner, Br. Rudolf ist Franziskaner.

1. Sep­tem­ber 2021

Franziskanische Orden: „Wir brauchen mehr Offenheit“

Im Kapu­zi­ner­kon­vent in Frank­furt leben Fran­zis­ka­ner und Kapu­zi­ner in einer Klos­ter­ge­mein­schaft. Ein Gespräch über Tren­nen­des, gute inter­fran­zis­ka­ni­sche Zusam­men­ar­beit und gemein­sa­me Spi­ri­tua­li­tät. Mit dem Kapu­zi­ner Jür­gen M. Böhm und dem Fran­zis­ka­ner Rudolf Dingenotto.

Bru­der Jür­gen, Bru­der Rudolf, wenn wir hier mit­ein­an­der spre­chen, dann fällt als ers­tes der Unter­schied beim Habit zwi­schen Ihnen auf. Wel­cher ist denn der Prak­ti­sche­re von beiden?

Bru­der Rudolf Din­ge­not­to: Bei uns Fran­zis­ka­nern gibt es die Mög­lich­keit, die Kapu­ze zu tren­nen. Ins­ge­samt fin­de ich den Habit der Kapu­zi­ner ein­fa­cher für den täg­li­chen Umgang, da die Ärmel und die gan­ze Kut­te etwas schma­ler geschnit­ten sind als unsere.

Bru­der Jür­gen Maria Böhm: Das sehe ich auch so. Der Habit der Kapu­zi­ner ist etwas näher an der Ursprungs- und der Kreuz­form. Sprich: so wenig wie mög­lich Stoff. Unprak­tisch ist es in der Tat, wenn man den Habit in der Mes­se hat. Dann kommt man mit der Kapu­ze hin­ten nicht ganz zurecht und es kann sich ein klei­ner Wulst bilden.

Haben Sie schon mal den ande­ren Habit ausgetestet?

Br. Jür­gen Maria: Ich habe mal den Kra­gen getes­tet und gemerkt, dass mir das auch ste­hen wür­de (lacht).

Wie kommt es eigent­lich, dass Sie hier in Frank­furt zusammenleben?

Br. Rudolf: Wir Fran­zis­ka­ner haben bei unse­rem Kapi­tel dar­über nach­ge­dacht, wel­che Din­ge wir in Zukunft ange­hen wol­len. Eine der Ideen war die Zusam­men­ar­beit mit den Kapu­zi­nern in der Cityp­as­to­ral. Am Ende des Pro­zes­ses haben wir hier in Frank­furt in Lieb­frau­en ange­fragt und ich habe eini­ge Tage mit­ge­lebt. Mir hat das sehr zuge­sagt. Anschlie­ßend haben die Pro­vinz­lei­tun­gen ent­schie­den, die­sen Weg zu gehen.

Es ging also sowohl um die City-Seel­sor­ge als auch um die Stär­kung der Zusam­men­ar­beit der bei­den fran­zis­ka­ni­schen Orden?

Br. Rudolf: Ja, von unse­rer War­te aus ging es um beides.

Br. Jür­gen Maria: Wir Kapu­zi­ner woll­ten auf jeden Fall den inter­fran­zis­ka­ni­schen Dia­log stär­ken. Und da fängt man am bes­ten ganz kon­kret vor Ort an. Frank­furt ist dafür der rich­ti­ge Platz.

Als mit Bru­der Rudolf ein Fran­zis­ka­ner neu in den Kapu­zi­ner-Kon­vent kam: Was hat er mit­ge­bracht und was wur­de verändert?

Br. Jür­gen Maria: Bru­der Rudolf hat eini­ge neue und berei­chern­de Ele­men­te mit her­ein­ge­bracht. Spon­tan fällt mir ein, dass wir im Stun­den­ge­bet sei­ne Anre­gun­gen auf­ge­nom­men haben – eine Ände­rung, die gut ankommt. Da sind wir sicher inner­halb der Deut­schen Kapu­zi­ner­pro­vinz der ein­zi­ge Kon­vent, der das Stun­den­ge­bet auf die­se ande­re Art praktiziert.

Br. Rudolf: Für mich war die Anfangs­zeit sehr span­nend und es ging dar­um, alles auf­zu­neh­men und mich ein­zu­le­ben. Aber mitt­ler­wei­le habe ich das Gefühl, dass wir hier alles gemein­sam den­ken und umset­zen. Es spielt kei­ne Rol­le, dass ich Fran­zis­ka­ner und kein Kapu­zi­ner bin.

Wenn Ihnen ein Gast die Fra­ge stellt, was ist der Unter­schied zwi­schen einem Fran­zis­ka­ner und einem Kapu­zi­ner: Was ant­wor­ten Sie dann?

Br. Jür­gen Maria: Ehr­lich gesagt fin­de ich die Beant­wor­tung die­ser Fra­ge schwie­rig. Ich rede in sol­chen Fäl­len oft von der Ver­gan­gen­heit, von kul­tu­rel­len Unter­schie­den. Wir Kapu­zi­ner haben Bär­te getra­gen, die Fran­zis­ka­ner nicht. Frü­her. Es gibt einen Stall­ge­ruch, natür­lich. Aber das ist es auch schon. Dazu kommt, dass die­ser Stall­ge­ruch oft stär­ker regio­nal geprägt als durch Ordensgrenzen.

Aus dem Leben hier vor Ort könn­te man kei­ne Unter­schie­de mehr benennen?

Br. Jür­gen Maria: Nein.

Br. Rudolf: Ich fin­de auch, dass man die­se Fra­ge nur geschicht­lich beant­wor­ten kann. In den 60er-Jah­ren hat sich hier eini­ges auf­ge­löst. Vor allem durch Mit­brü­der bei Fran­zis­ka­nern und Kapu­zi­nern, die Schrif­ten von Fran­zis­kus neu her­aus­ge­ge­ben haben. Wir muss­ten nicht mehr auf Hei­li­gen­be­schrei­bun­gen zurück­grei­fen, die das Bild von Fran­zis­kus beschö­nigt, ver­färbt und lieb­lich gemacht haben. Von die­sem Augen­blick an, so zumin­dest mein Ein­druck, haben Kapu­zi­ner, Kon­ven­tua­le und Fran­zis­ka­ner wie­der gespürt, dass wir von der ursprüng­li­chen Spi­ri­tua­li­tät des Fran­zis­kus her den glei­chen Ursprung haben. Das ist die Sub­stanz, aus der wir inter­fran­zis­ka­nisch den­ken und hof­fent­lich in Zukunft noch stär­ker zusammenarbeiten.

Gibt es genug Schwung, die­se Spi­ri­tua­li­tät gemein­sam weiterzuentwickeln?

Br. Jür­gen Maria: Ich glau­be, dass bei­de Orden zu stark mit sich selbst beschäf­tigt sind. Und noch sind viel­leicht auch die Schrump­fungs­schmer­zen in den Orden nicht hef­tig genug. Nicht zuletzt sind wir ein welt­wei­ter Orden, und da spielt Rom auch eine Rolle.

Br. Rudolf: Ich sehe das ähn­lich. Vie­les müss­te vom Weltor­den aus­ge­hen, eine ein­zel­ne Pro­vinz kann das nicht ent­schei­den. Den­noch ähneln sich ja unse­re Her­aus­for­de­run­gen, etwa beim Nach­wuchs oder beim Auf­lö­sen der Häu­ser. Allein wir Fran­zis­ka­ner haben in Deutsch­land seit 1975 88 Klös­ter auf­ge­löst. Das ist eine schmerz­li­che Auf­ga­be, die viel Ener­gie braucht. Auch die ordens­in­ter­ne Fusio­nie­rung von Pro­vin­zen kos­tet Kraft. Da ist nicht mehr viel Luft für ande­re, ordens­über­grei­fen­de Dinge.

2017 gab es ein Tref­fen der drei Pro­vin­zi­ä­le der fran­zis­ka­ni­schen Män­ner­or­den, auf dem sogar über eine Ver­ei­ni­gung der drei Orden gespro­chen wur­de. Wer­den Sie das noch erleben?

Br. Rudolf: Es ist eine Hoff­nung. Aber ob das alle im welt­wei­ten Orden so sehen, bezwei­fe­le ich. In den über 80 Län­dern ist die Situa­ti­on sehr unter­schied­lich. Alle Brü­der in einer Gene­ra­ti­on zusam­men­zu­brin­gen, das wird fast unmög­lich. Aber das muss ja auch gar nicht sein. Ich wün­sche mir eine Viel­falt in der Ein­heit, gemein­sa­me Novi­zia­te und das Zusam­men­le­ben und ‑arbei­ten ver­schie­de­ner Gruppen.

Br. Jür­gen Maria: Man bräuch­te noch mehr Anknüp­fungs­punk­te wie in Frank­furt. Ich kann mir nach die­ser guten Erfah­rung hier jetzt auch vor­stel­len, bei den Fran­zis­ka­nern in einem Kon­vent tätig zu sein, wenn mich die Auf­ga­be reizt. Eine Fusi­on von oben her­ab wird nicht klap­pen. Wir brau­chen mehr Offen­heit, an allen unse­ren Orten der Pro­vinz und in der Ausbildung.

Br. Rudolf: Bei­de Orden schlie­ßen immer mehr Häu­ser und geben damit spe­zi­fi­sche Auf­ga­ben aus der Hand, für die man­che Brü­der genau pas­sen. Aber viel­leicht kann ich ja in einem Kon­vent von Kapu­zi­nern oder Mino­ri­ten mein Cha­ris­ma ent­fal­ten? Das ist doch eine unge­heu­re Chance.

Sie leben jetzt hier knap­pe zwei Jah­re zusam­men, wie lau­tet denn Ihr Fazit?

Br. Rudolf: Ich bin sehr froh, dass ich die­sen Schritt für mich gemacht habe! Ich habe viel Neu­es gelernt, von der Stadt, von der Cityp­as­to­ral, von der Kir­chen­mu­sik, von der Inter­na­tio­na­li­tät, von den Spra­chen und kul­tu­rel­len Mög­lich­kei­ten. Ich schät­ze sehr, dass wir hier im Kon­vent auch kon­flikt­rei­che Din­ge offen ansprechen.

Und im Hin­blick auf die inter­fran­zis­ka­ni­sche Zusammenarbeit?

Br. Rudolf: Wenn ich nicht schon 80 wäre, könn­te ich mir vor­stel­len, an ande­rer Stel­le bei einem Neu­an­fang der Kapu­zi­ner dabei zu sein.

Br. Jür­gen Maria: Ich fin­de es sehr berei­chernd, dass Br. Rudolf bei uns ist. Er bringt einen ande­ren Schwung mit und hat vor allem im psy­cho­lo­gi­schen Bereich sehr viel Erfah­rung, von der wir alle profitieren.

Zum Abschluss wür­de ich ger­ne wis­sen: War­um sind Sie eigent­lich Kapu­zi­ner und Fran­zis­ka­ner geworden?

Br. Jür­gen Maria: Als Kind woll­te ich Poli­zist wer­den – oder in einen Orden gehen. Spä­ter wur­de mir klar, dass ich etwas Geist­li­ches machen woll­te. Bei uns in der Gegend gab es nur Fran­zis­ka­ner­klös­ter. Dass es die Kapu­zi­ner gewor­den sind, liegt vor allem an Besu­chen in Alt­öt­ting, wo mich Bru­der Kon­rad stark fas­zi­niert hat. Und, ein klei­ner Neben­aspekt: Ich woll­te nicht zu nah mei­ner Hei­mat ins Klos­ter, und da war mir das Fran­zis­ka­ner­klos­ter Vier­zehn­hei­li­gen ein­fach zu nah (lacht).

Bei Ihnen, Bru­der Rudolf?

Br. Rudolf: Ich kom­me aus der Diö­ze­se Pader­born, da gibt es über­haupt kei­ne Kapu­zi­ner­klös­ter. Ich lern­te die Fran­zis­ka­ner über einen Onkel ken­nen, der Gärt­ner und Fran­zis­ka­ner war. Dort durf­ten wir immer Fuß­ball spie­len. Das hat mich schon als 11-jäh­ri­ger so beein­druckt, dass ich abends heim­kam und mei­ner Mut­ter ver­kün­de­te, dass ich Fran­zis­ka­ner wer­den woll­te, weil man dort im Klos­ter so gut Fuß­ball spie­len kön­ne. Dann bin ich auf ein Fran­zis­ka­ner­in­ter­nat gegan­gen und lern­te auch die Volks­ver­bun­den­heit und eini­ge Mis­sio­na­re der Fran­zis­ka­ner ken­nen. Das alles hat mich gepackt.

Vie­len Dank für das Gespräch!

 

Das Inter­view führ­te Tobi­as Rauser

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