Interview

FOTO: KAPUZINER/LEMRICH

BR. PAULUS TERWITTE

ist seit 1978 Kapu­zi­ner. Er lebt er im Kapu­zi­ner­kon­vent in Frank­furt am Main und ist unter ande­rem Vor­stand der Franziskustreff-Stiftung.

25. Juni 2022

„Glaube führt nicht hinaus in eine Sonderwelt“

Wie der Glau­be gute Impul­se für das eige­ne Leben brin­gen kann, wel­che unge­sun­den Got­tes­bil­der ver­brei­tet sind und wie der Glau­be ihn per­sön­lich geheilt hat, ver­rät der Kapu­zi­ner Br. Pau­lus Ter­wit­te im Interview. 

Br. Pau­lus, ein heil­sa­mer Glau­be, ein Glau­be also, der wohl­tu­en­de und hei­len­de Impul­se in unser Leben bringt: Wie sieht der aus?

Glau­ben beginnt mit dem Stau­nen. Ein Stau­nen, das als Geschenk erlebt wird. Wer glaubt, nimmt in Demut an, dass er weder sich selbst noch die Welt geschaf­fen hat. Das ent­las­tet. Mein gan­zes Leben wird eine Ant­wort auf den Anspruch, ein leben­di­ger, ver­nünf­ti­ger und lie­ben­der Mensch zu sein. Wer glaubt, lebt nach dem Mot­to „Wie Gott mir, so ich dir“.

Ist der Wunsch, dass Glau­be auch wohl­tu­end sein muss, dem heu­ti­gen Zeit­geist geschul­det? Oder ist das bibli­sche Wahrheit?

Was bedeu­tet eigent­lich wohl­tu­end? Vom Augen­blick aus gese­hen, ist alles, was neu ins Leben tritt, zunächst kei­ne Wohl­tat. Indem ich mich ver­lie­be: Ich muss mei­nen Ter­min­ka­len­der umstel­len. Das Kind, das gebo­ren wird: Es stellt mei­ne Gewohn­hei­ten auf den Kopf. Die beruf­li­che Auf­ga­be, die mich her­aus­for­dert und mich wach­sen lässt: Sie nimmt mir Zeit, die mir für die Fami­lie und mei­ne Freun­de und mein Hob­by fehlt. All die­se Din­ge kom­men mir zugu­te, und trotz­dem brin­gen sie gro­ße Kri­sen mit sich, vie­le Trä­nen, schlaf­lo­se Näch­te – und doch auch das gro­ße Glück, sich hin­ge­ben zu kön­nen, ein Opfer brin­gen zu können.

Wel­che unge­sun­den, ja viel­leicht sogar krank­ma­chen­den Glau­bens­sät­ze und Got­tes­bil­der, die Men­schen mit sich her­um­tra­gen, sind Ihrer Beob­ach­tung nach am wei­tes­ten verbreitet?

Gott ist oben – und ich bin unten. Gott ist all­mäch­tig – und ich bin ohn­mäch­tig. Gott ist gerecht – und ich kann ihn sowie­so nicht ver­ste­hen. Und er will mich bestra­fen – ich kann dem nicht ent­ge­hen. Gott sieht alles – Inti­mi­tät ist etwas Böses. Gott ist all­wis­send – und ich bin dumm.

Nun wer­fen man­che Kri­ti­ker dem christ­li­chen Glau­ben ja vor, dass er nicht heil­sam sei, son­dern im Gegen­teil: dass er Men­schen unfrei mache und manch­mal sogar krank. Was ent­geg­nen Sie darauf?

Als ich erkann­te, dass ich getauft bin, ging mir nahe: „Ich gehö­re jetzt zum Ori­gi­nal, nach dem die gan­ze Schöp­fung geschaf­fen wur­de.“ Jesus ist das Wort, aus ihm ist die gan­ze Welt geschaf­fen: „das Wort wur­de Fleisch“. Jesus ist die Grund­gram­ma­tik, das Ori­gi­nal, aus dem her­aus alles sei­nen Sinn hat. Es gibt nichts in der Welt, das nicht von Chris­tus her­kommt und zu ihm geht. Im Hei­li­gen Geist bin ich für ewig ver­bun­den im Geheim­nis von Tod und Auf­er­ste­hung, dass sich tag­täg­lich in der Schöp­fung vollzieht.

Auf einem ande­ren Blatt steht, dass ein mytho­lo­gi­sches Got­tes­bild von Herr­schen­den die­ser Welt miss­braucht wor­den ist und miss­braucht wird, um ihre Herr­schaft zu befes­ti­gen, sei es eine Herr­schaft von Kir­chen­lei­tun­gen oder von Staats­lei­tun­gen. Bei 140 Mil­lio­nen ver­folg­ten Chris­ten in der Welt liegt auf der Hand, wie gefähr­lich für die Herr­schen­den die­ser Welt das Chris­ten­tum ist. Von Unter­drü­ckung aus dem Glau­ben her­aus kei­ne Spur.

Wenn nun aber jemand bemerkt, dass sein Glau­be ihn in der Tat mehr ver­letzt, als dass er ihn heil macht – was raten Sie die­sem Menschen?

Hier setzt Seel­sor­ge an, die immer den gan­zen Men­schen in den Blick nimmt: Sei­nen Kör­per, sei­ne Geschich­te, sein kul­tu­rel­les Umfeld, sei­ne Ein­bin­dung in die Schöp­fung, in die Arbeits­welt, in die Phi­lo­so­phie, in einen Freun­des­kreis. In all die­sem ist der Mensch ein­ge­bun­den, und Gott ist mit ihm dort am Werk. Glau­be führt nicht hin­aus in eine Son­der­welt, in eine als bes­ser gedach­te Welt, son­dern lässt mich die Welt ernst neh­men und mein Leben: Ich bin Tem­pel des Hei­li­gen Geis­tes. Ein ver­letz­ter Glau­be ist meis­tens ein Über-Ich-Glau­be, eine nicht gewag­te Eman­zi­pa­ti­on aus dem Fami­li­en­kreis, aus dem Kul­tur­kreis, aus dem Freun­des­kreis. „Folgt mir nach!“, sagt Jesus. Das heißt auch: „Löst euch raus!“

Was kann ich selbst dazu tun, dass mein Glau­be wahr­haf­ti­ger und im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes „Heil brin­gend“ für mich und ande­re wird?

 Am bes­ten ist es, zuzu­las­sen, dass Gott mit mir am Werk ist. Mein Glau­be wird nicht so wer­den, wie ich ihn mir vor­stel­le. Auch das Reden von einem heil­sa­men Glau­ben führt zu fal­schen Fan­ta­sien. Glau­be macht stark, kämp­fe­risch, macht bereit zum Opfer, zum Ver­letzt-Wer­den, zur Tren­nung, Wort der Wahr­heit, zur Aus­ein­an­der­set­zung. Das hört sich nicht sehr heil­sam an, nicht wahr? Und doch ist es der wahr­haf­ti­ge Mensch, bist du es, der so ist wie er ist, in dem Gott in die Welt hin­ein­wirkt. Der kor­ri­giert wird, der sich beleh­ren lässt, und der dann auch ande­re beleh­ren kann. Aus gött­li­cher Weis­heit. Aus Erfah­rung mit Gott.

Und zuletzt, wenn Sie uns das ver­ra­ten wol­len: In wel­chem Bereich Ihres Lebens hat der Glau­be Sie ganz per­sön­lich hei­ler gemacht?

Ich wur­de geheilt, als ich erkann­te, dass ich ver­bun­den bin mit Chris­tus, dem Ori­gi­nal, aus dem die gan­ze Schöp­fung ist. Und zu dem die gan­ze Schöp­fung heim­keh­ren wird. Ein frei­er Chris­ten­mensch. Ich muss nie­man­dem gehor­chen, nur dann, wenn er mich aus mei­ner Selbst­be­fan­gen­heit erlöst und mich nach vor­ne bringt. Als fran­zis­ka­ni­scher Bru­der habe ich mich in Ordens­ge­lüb­den Gott geweiht und ihm ver­spro­chen, dass ich ohne Eigen­tum, in keu­scher Ehe­lo­sig­keit und in Gehor­sam leben will. Das sind gute Bin­dun­gen, aus dem Krei­sen um sich sel­ber immer neu hin­aus­zu­stei­gen in eine neue Denk­wei­se, die nicht aus dem Alten in mir schöpft, son­dern Neu­es wagt, das Gott eröff­net. So wie gute Ehe­leu­te ein­an­der sich nichts vor­ent­hal­ten, sich in Leib und See­le ach­ten und auf­ein­an­der hören und so in der Lie­be ein­an­der und den Kin­dern gegen­über heil­sam sind.

Das Inter­view ist zuerst im Min­do-Maga­zin erschienen. 

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