FOTO: KAPUZINER/TOBIAS RAUSER
Sr. Margot Spinnenhirn verantwortet die Missionsprokur der Franziskanerinnen von Reute. Br. Helmut Rakowski ist Provinzsekretär und stellvertretender Provinzial der Kapuziner.
Das Jahr in der Mission: „Corona verschärft die Situation“
2021 war ein bewegtes Jahr für die Missionarinnen und Missionare der Franziskanerinnen von Reute und der Kapuziner. Sr. Margot Spinnenhirn und Br. Helmut Rakowski berichten, was die Schwestern und Brüder umtreibt, welche Projekte laufen und was sie sich für 2022 wünschen.
Was war das große Thema 2021 für unsere Missionarinnen und Missionare weltweit?
Sr. Margot Spinnenhirn: Das große Thema war Corona, wie im Jahr zuvor. Um mit den Worten einer Schwester aus Brasilien zu sprechen: Es herrschte eine Sehnsucht nach Normalität, die sich leider nicht erfüllt hat. In vielen Ländern geht es gerade erst los mit Corona.
Br. Helmut Rakowski: Das ist in der Tat so. Corona grassiert gerade in Mexiko und Indonesien in einem Ausmaß, das die Menschen bisher nicht kannten. In Oaxaca starben drei Klarissen-Kapuzinerinnen an einer Covid-Infektion. Das Gesundheitssystem ist völlig überfordert. Während wir über Drittimpfungen reden, sind die Impfkampagnen in Mexiko und Indonesien noch weit zurück. Nur Chile liegt noch vor Deutschland bei den Impfungen.
Sr. Margot: Das kann ich nur bestätigen. In Brasilien kämpfen unsere Missionarinnen mit der Amazonasvariante. Sie haben es mit einem Präsidenten zu tun,
dem es egal ist, ob mehr oder weniger Menschen an Corona sterben. Und auch in Indonesien steigen die Zahlen nun auch auf den Inseln, die zuerst nur wenig betroffen waren. So berichtete Schwester Ingeborg von der abgelegenen Insel Tello im Herbst 2021 von steigenden Infektionszahlen und von Corona-Toten. Allerdings auch von der Möglichkeit, sich impfen zu lassen.
Sind die Schwestern vor Ort denn geimpft?
Sr. Margot: Ja, sind sie. Ein Problem für internationale Reisen ist jedoch die Art der Impfung in Indonesien. So konnten zum Bespiel unsere Mitschwestern von dort auch 2021 nicht zu unserem schon zweimal verschobenen Generalkapitel kommen, weil in Deutschland der Impfstoff, mit dem die indonesischen Schwestern geimpft sind, nicht zugelassen ist.
Welche Themen und Projekte außer Corona beschäftigen die Menschen vor Ort?
Sr. Margot: In Indonesien wurden für den Neustart in Gomo die nächsten Schritte eingeleitet. Die Ankunft der Schwestern war am 26. August. Bereits im Februar 2021 war der Empfang der Schwestern in Pangkalpinang, einem ebenfalls neuen Wirkungsort der indonesischen Gemeinschaft. Auch in Brasilien haben die Schwestern an beiden Standorten die Nova-Esperanca-Projekte unter Corona-Bedingungen bestmöglich weiterentwickelt.
Br. Helmut: Die Probleme vor Ort, wie Armut, Jugendarbeitslosigkeit und zerbrochene Familien, sind durch Corona noch verschärft geworden. Wer als Tagelöhner sein Geld verdient, ist von Lockdowns extrem betroffen. Wanderarbeiter kommen wegen der Beschränkungen nicht nach Hause. Familien leiden finanzielle und soziale Not.
Vielfach hängt die Weiterentwicklung von Sozial- und Kulturprojekten finanziell von uns ab. Wir brauchen hier unbedingt die finanzielle Solidarität aus Deutschland.
Was haben Sie sich für 2022 vorgenommen?
Br. Helmut: In Chile, Indonesien und Mexiko haben längst einheimische Brüder die Aufgaben vor Ort übernommen. In Chalcatongo bauen die Brüder ein Sozialwerk aus. Nach den Investitionen in eine Poliklinik und in eine rollende Arztpraxis soll eine Anlage zur Zubereitung und zum Vertrieb gesunder Nahrungsmittel entstehen. Für Albanien zeichnet sich Verstärkung in der Mission der Kapuziner ab.
Die Missionarinnen und Missionare aus Deutschland haben in vielen Fällen schon ein gutes Alter erreicht. Stehen die Projekte schon auf eigenen Beinen?
Br. Helmut: Bis auf Albanien sind unsere ehemaligen Missionsgebiete längst einheimische Ordensbezirke geworden. Vielfach hängt die Weiterentwicklung von Sozial- und Kulturprojekten finanziell jedoch weiterhin von uns ab. Wir brauchen hier unbedingt die finanzielle Solidarität aus Deutschland.
Sr. Margot: Das mit den Finanzen kann ich für uns bestätigen. Die Projekte vor Ort stehen insofern auf eigenen Beinen, dass sie funktionstüchtig sind und die Schwestern die nötigen Ausbildungen haben, die dafür erforderlich sind. Um die vielen angefangenen Projekte weiterführen zu können, ist jedoch die finanzielle Hilfe und auch die moralische Unterstützung von Seiten des Mutterhauses notwendig.
Gibt es genug Unterstützung durch Spenden aus Deutschland?
Br. Helmut: Tatsächlich gehen die Spenden zurück. Langjährige Unterstützerinnen und Unterstützer werden alt und sterben. Die nachrückenden Generationen
haben nicht mehr die gleiche Beziehung zur Kirche und zu uns Kapuzinern. Immer mehr Organisationen konkurrieren um Spender, und wir Kapuziner haben momentan niemand, der hauptamtlich die Spendenbetreuung übernimmt.
Der missionarische Einsatz ist auch hier im Land gefragt. Dafür und auch für die Mission in anderen Ländern benötigen wir Nachwuchs.
Sr. Margot: Wir haben bisher Gott sei Dank einen relativ stabilen und treuen Spender- und Unterstützerkreis. Der Altersdurchschnitt ist allerdings auch recht hoch, so dass die Gewinnung von jüngeren Personen und Gruppen ein großes Thema und ein wichtiges Anliegen für uns ist.
Kann man heute noch junge Ordensleute motivieren, in die Mission zu gehen?
Sr. Margot: Es würden sicher junge Schwestern aus unseren Reihen in die Mission gehen, wenn sie dafür angefragt würden. Die Realität ist jedoch so, dass wir die wenigen jüngeren Schwestern dringend für die Mission in Deutschland brauchen.
Br. Helmut: Ja, der missionarische Einsatz ist auch hier im Land gefragt. Dafür und auch für die Mission in anderen Ländern benötigen wir Nachwuchs. Missionare machen unsere Kirche als Weltkirche spürbar. Deswegen ist es auch gut, dass wir in unseren Breiten Missionarinnen und Missionare aus anderen Ländern haben. Das hilft uns, manchmal schmerzhaft, zu erkennen, dass wir nicht der Nabel der Kirche sind. Sich auf eine fremde Kultur einzulassen und an vorderster Front Aufbauarbeit zu leisten, ist auch für junge Menschen reizvoll.
Wie halten Sie eigentlich den Kontakt mit den Schwestern und Brüdern in der Mission?
Br. Helmut: Der Kontakt zu den Brüdern im Ausland ist durch die neuen Medien viel leichter geworden. E‑Mail, Sprachnachrichten und Videotelefonate sind ein wichtiger Weg. Mittlerweile können Missionare ja mit Newslettern, Blogs und auf Socialmedia-Kanälen direkt von ihrer Arbeit und von den Menschen, mit denen sie leben, berichten.
Sr. Margot: Ich bin sehr froh über die Anwesenheit von Sr. Evelyn als indonesischer Schwester in der Missionsprokur hier in Reute. Sie nimmt mit ihren Sprachkenntnissen und ihrer fachlichen Kompetenz eine Brückenfunktion ein. Außerdem sind die Generaloberin von hier und die Regionaloberin von Indonesien regelmäßig im Kontakt, zurzeit meist per Videokonferenz.
Wenn Sie einen Wunsch für 2022 frei hätten, welcher wäre das?
Br. Helmut: Ich wünsche mir eine Situation, die es erlaubt, Albanien, Chile, Indonesien und Mexiko zu besuchen, um die vielen spannenden Geschichten vor Ort einzufangen. Diese können wir dann weitererzählen, um neue Unterstützerinnen und Unterstützer zu gewinnen!
Sr. Margot: Ich wünsche mir für uns und die Schwestern und Brüdern vor Ort eine Welt ohne Corona, in der wir unsere Ideen und Projekte weiterentwickeln können!
Vielen Dank für das Gespräch!
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