Interview

FOTO: KAPU­ZI­NER

BR. Othmar Noggler

wur­de 1934 in Meran im Bis­tum Bozen-Bri­xen gebo­ren. Er ist seit 1957 Kapu­zi­ner und wur­de 1963 zum Pries­ter geweiht. Br. Oth­mar lebt im Klos­ter „St. Anton“ in der baye­ri­schen Lan­des­haupt­stadt München. 

24. Okto­ber 2021

Kapuziner in Chile: „Kampf ums Lebensrecht der Mapuche“

Die Geschich­te der baye­ri­schen Kapu­zi­ner in der chi­le­ni­schen Regi­on Arau­ka­ni­en ist eng mit dem Kampf um die Rech­te des indi­ge­nen Vol­kes der Mapu­che ver­bun­den. Was die Mis­si­on in Chi­le aus­mach­te und wie die Situa­ti­on heu­te ist, sagt Br. Oth­mar Nogg­ler im Interview. 

Wann begann die Geschich­te der Kapu­zi­ner in Arau­ka­ni­en, einer Regi­on in Chi­le, in denen das indi­ge­ne Volk der Mapu­che lebt?
Die Geschich­te der Kapu­zi­ner in Chi­le beginnt 1837 mit ita­lie­ni­schen “Apos­to­li­schen Mis­sio­na­ren“, zu ihnen stieß 1848 der ers­te Bay­er. 1886 eil­ten den inzwi­schen alten Ita­lie­nern sechs baye­ri­sche Mit­brü­der zu Hil­fe. Im Jahr 1900 über­nahm die baye­ri­sche Pro­vinz das Mis­si­ons­ge­biet Arau­ka­ni­en. Auf dem Höhe­punkt der Mis­si­on 1932 waren dort 78 Kapu­zi­ner tätig. Etwa die Hälf­te davon waren als Lai­en­brü­der in Ver­wal­tung und Hand­werks­aus­bil­dung tätig.

Wel­che Situa­ti­on herrsch­te 1896 in Chile?
Chi­le wur­de 1820 unab­hän­gig und erb­te die schwie­ri­ge Geschich­te der Kolo­ni­al­macht Spa­ni­en. Die­se hat­te aller­dings im Ver­trag von Quil­lín vom 6. Janu­ar 1641 die ter­ri­to­ria­le Eigen­stän­dig­keit der Mapu­che aner­kannt. Für die Mis­si­on bedeu­te­te das zum Bei­spiel, dass die Regi­on sel­ber ent­schei­den konn­te ob, wann und wie lang Mis­sio­na­re ins Land durften.

Als die baye­ri­schen Kapu­zi­ner kamen, war es mit die­ser Eigen­stän­dig­keit schon wie­der vorbei.
In der Tat. Ab 1861 begann die gewalt­sa­me Anglie­de­rung, die im Jahr 1883 aus Sicht der Zen­tral­re­gie­rung erfolg­reich ende­te. Als die baye­ri­schen Kapu­zi­ner kamen, war die grau­sa­me und krie­ge­ri­sche Erobe­rung des Gebie­tes also etwas mehr als zehn Jah­re her. Man hat­te das Mapu­che-Land zum Staats­land erklärt und ange­wor­be­nen Kolo­nis­ten, vie­le davon deut­scher Zun­ge, das Land über­tra­gen. Das hat­te dra­ma­ti­sche Fol­gen für die ursprüng­li­che Bevöl­ke­rung. Armut und bis heu­te andau­ern­de sozia­le Kon­flik­te waren die Folge.

Wie haben sich die baye­ri­schen Kapu­zi­ner in die­ser Lage ver­hal­ten, auf wel­cher Sei­te stan­den sie?
Einer der ers­ten Kapu­zi­ner, Sieg­fried Schnei­der, wird so zitiert: „Wir brau­chen hier vom Evan­ge­li­um nicht viel erzäh­len, solan­ge die Mapu­che so behan­delt wer­den.“ Die Ordens­leu­te ent­wi­ckel­ten ein gro­ßes Inter­es­se an Spra­che und Kul­tur. Zur Auf­ga­be der Mis­si­on kam also auch das Stu­di­um des Lebens vor Ort und das sozia­le Enga­ge­ment, sowie Bil­dung. Ich kann jeman­dem nur glaub­wür­dig von Gott erzäh­len, wenn ich ihn auch ver­ste­he. Kurz: Es war ein Kampf ums Lebens­recht der Mapu­che in die­sen Jahren.

Wie fan­den der Staat und die Kolo­nis­ten im Land das?
Der „India­ner­ad­vo­kat“ P. Sieg­fried brauch­te sogar Leib­wa­chen für sein Wir­ken, da ihm Kolo­nis­ten auf­grund sei­nes Enga­ge­ments für die Mapu­che nach dem Leben trachteten.

Wie lief es denn mit der Mission?
Die Kapu­zi­ner haben es ver­stan­den, die alten Tra­di­tio­nen und den vor­han­de­nen Ein-Gott-Glau­ben ent­spre­chend zu wer­ten und in die Ver­kün­dung zu inte­grie­ren. So gab es z. B. einen Got­tes­dienst, der mit dem von den Mapu­che ererb­ten Ritu­al als deren Altem Tes­ta­ment begann und mit einer Eucha­ris­tie­fei­er mit dem Bischof ins Neue Tes­ta­ment wies. Auf die­se Wei­se haben unter Katho­li­ken die alten Riten überlebt.

Kann man grund­sätz­lich zusam­men­fas­sen, dass der sozia­le Gedan­ke in die­ser Mis­si­on der prä­gen­de Leit­strahl ist?
Ja, das ist gut for­mu­liert. Katho­lisch sein bedeu­tet immer auch, den Sozi­al­be­reich mit­zu­den­ken. Den Kapu­zi­nern vor Ort war wich­tig, dass die Mapu­che ihre Rech­te zurück­be­kom­men und dass auch sie Schul­bil­dung und Aus­bil­dung besitzen.

Sie waren auch eine kur­ze Zeit in Chi­le. Wie kam das?
Ich habe mich schon beim Ein­tritt in den Orden für die Mis­si­on inter­es­siert. In den sech­zi­ger Jah­ren hat­te ich hier in Deutsch­land die Mög­lich­keit, Gast­ar­bei­tern in ihren Nöten bei­zu­ste­hen und spa­nisch zu ler­nen. Der dama­li­ge Pro­vin­zi­al ent­schied, dass ich Pas­to­ral­theo­lo­gie stu­die­ren soll­te, um anschlie­ßend nach Chi­le zu gehen. Die­se Plä­ne wur­den jedoch aus poli­ti­schen Grün­den ad acta gelegt. Im Rah­men mei­nes Stu­di­ums durf­te ich mich in mei­ner Dis­ser­ta­ti­on sehr aus­führ­lich mit der Mis­si­on in Chi­le beschäf­ti­gen und konn­te zu Recher­che­zwe­cken ins Land rei­sen. Das war 1963. Für ein hal­bes Jahr arbei­te­te ich als Pfar­rer und lern­te das Land genau­er ken­nen. Auch spä­ter war ich noch ein paar Mal kurz im Land.

In den kom­men­den Jah­ren sank die Zahl der Kapu­zi­ner in Chile.
Rich­tig, so war es aber auch geplant. Das Ziel war immer, eine selbst­stän­di­ge Orts­kir­che auf­zu­bau­en und sich dann zurück­zu­zie­hen. Der Orden stand hin­ten­an – es ging in ers­ter Linie um die Kir­che. So wur­de auch das Pries­ter­se­mi­nar in Chi­le sehr viel frü­her gegrün­det als das Novi­zi­at der Kapu­zi­ner. Im Jahr 1973 ist der letz­te baye­ri­sche Kapu­zi­ner nach Chi­le übergesiedelt.

War das Pro­jekt von Erfolg gekrönt?
Ja. Auf jeden Fall kirch­lich ist das so, es gibt heu­te eine funk­tio­nie­ren­de Diö­ze­se vor Ort. Was den Orden angeht: Es gibt Kapu­zi­ner im Land, die aber auf­grund ihrer klei­nen Anzahl ganz aktu­ell in die Pro­vinz Bra­si­li­en inte­griert wer­den. Drei deut­sche Kapu­zi­ner leben noch im Land, unter ande­rem der deut­sche Bischof eme­ri­tus Six­tus Par­zin­ger. Und wenn wir von Erfolg spre­chen: Es ist auch ein Erfolg und ein Erbe der Kapu­zi­ner, dass die Regi­on Arau­ka­ni­en ihre eige­ne Iden­ti­tät gefun­den hat.

Wie sieht es heu­te um die Rech­te der Mapu­che aus?
Das ist bis heu­te nicht aus­ge­foch­ten. Den­noch gibt es for­ma­le Fort­schrit­te. Die Rech­te der indi­ge­nen Bevöl­ke­rung wer­den mitt­ler­wei­le auch in Chi­le aner­kannt und es gibt klei­ne­re Erfol­ge, wenn unrecht­mä­ßig erwor­be­nes Gebiet wie­der zurück­ge­ge­ben wird.

Vie­len Dank für das Gespräch!

Das Inter­view führ­te Tobi­as Rauser

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Tobias Rauser

Tobi­as Rauser
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