Interview

FOTO: KAPUZINER/TOBIAS RAUSER

Paul Wennekes

arbei­tet für das öku­me­ni­sche Pro­jekt NICC (Net­wor­king Inten­tio­nal Chris­ti­an Com­mu­ni­ties) tätig. NICC unter­sucht Zukunfts­per­spek­ti­ven des reli­giö­sen Gemein­schafts­le­bens in den Nie­der­lan­den, Flan­dern und Deutschland. 

23. Febru­ar 2022

„Noch ist Zeit, gegenzusteuern“: Interview zur Zukunft der Orden in Deutschland

Ver­net­zung, Wer­te, Kom­mu­ni­ka­ti­on und Beru­fung: Haben Ordens­ge­mein­schaf­ten eine Zukunft? Und unter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen? Ein Inter­view mit Paul Wen­ne­kes, der über Jahr­zehn­te die Ordens­land­schaft in den Nie­der­lan­den beob­ach­tet und beglei­tet hat.

Paul Wen­ne­kes, Sie sind Ken­ner der Ordens­land­schaft in den Nie­der­lan­den. Was sagt uns die Situa­ti­on vor Ort über die Zukunft der Orden Deutschland?

Die Nie­der­lan­de sind Deutsch­land in der Ent­wick­lung der Orden aus ver­schie­de­nen Grün­den etwa 15 Jah­re vor­aus. Wenn die Ent­wick­lung in Kir­che und Gesell­schaft so wei­ter­geht wie bis­her, dann wird das Chris­ten­tum in 25 bis 30 Jah­ren auch in Deutsch­land eine klei­ne Min­der­heit im säku­la­ren Umfeld sein. Das hat gro­ße Kon­se­quen­zen für das Leben und Wir­ken der Orden.

Was bedeu­tet das?
Die Orden und ande­re christ­li­che Orga­ni­sa­tio­nen müs­sen sich die Fra­ge stel­len, ob es in Zukunft ein Netz­werk gibt, in dem sie als Chris­ten oder Ordens­leu­te sicht- und hör­bar sein wer­den. Wenn jeder Orden für sich allein wei­ter­macht, dann gibt es kaum eine Zukunft. Wir Chris­ten brau­chen in der Zukunft eine gewis­se kri­ti­sche Mas­se, damit wir in einer digi­ta­len und noch kom­mu­ni­ka­ti­ver aus­ge­rich­te­ten Gesell­schaft wahr­nehm­bar sind. Aus der Arbeit vie­ler Ein­zel­kämp­fer, über­la­den mit Arbeit und in Sor­ge um das nahen­de Ende, muss eine gemein­sa­me Per­spek­ti­ve mit einem gemein­sa­men Auf­bruch entstehen.

Wenn Sie mit Ihren Erfah­run­gen auf die deut­sche Ordens­land­schaft bli­cken: Ist dafür noch Zeit?
Die Orden in Deutsch­land sind durch­schnitt­lich noch leben­di­ger als die Orden in den Nie­der­lan­den. In Deutsch­land gibt es zum Bei­spiel akti­ve Schwes­tern­kon­gre­ga­tio­nen, die noch einen beschei­de­nen, aber regel­mä­ßi­gen Nach­wuchs haben. Das gibt es in Hol­land schon lan­ge nicht mehr. Auch sind die Ordens­leu­te in Deutsch­land durch­schnitt­lich jün­ger. Aber die Orden in Deutsch­land wer­den lang­fris­tig gese­hen wahr­schein­lich die glei­che Ent­wick­lung durch­ma­chen wie die Schwes­tern und Brü­der in den Nie­der­lan­den. Noch ist Zeit, gegen­zu­steu­ern und aus posi­ti­ven und nega­ti­ven Erfah­run­gen zu lernen.

Grund­la­ge für den gemein­sa­men Auf­bruch wäre die Vernetzung.
So ist es. In einem ers­ten Schritt geht es um Aus­tausch. Dar­um, ein­an­der viel bes­ser ken­nen­zu­ler­nen. Mei­ne Erfah­rung aus den Nie­der­lan­den ist, dass oft gar nicht das Wis­sen über die Akti­vi­tä­ten oder die Zukunfts­pla­nung der ande­ren Orden da ist.

Für die Zukunft und die Ver­net­zung der Orden ist gute Kom­mu­ni­ka­ti­on abso­lut not­wen­dig. Das haben vie­le noch nicht verinnerlicht.

Wel­che Rol­le spielt die Kommunikation?
Sie ist aus mei­ner Sicht fast der ent­schei­den­de Fak­tor. Wir brau­chen eine pro­fes­sio­nel­le­re Kom­mu­ni­ka­ti­on der Orden. Nach innen und nach außen. Oft wird zum Bei­spiel in einem Pro­zess der Voll­endung einer Kon­gre­ga­ti­on viel Ener­gie auf­ge­wandt, um die Din­ge nach außen gut zu regeln. Das ist abso­lut not­wen­dig, aber die inter­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on darf dabei nicht zu kurz kom­men. Es geht schließ­lich um reli­giö­se Gemein­schaf­ten. Sol­che Ver­än­de­run­gen haben Kon­se­quen­zen für das Cha­ris­ma und die Mis­si­on eines Ordens sowie für das per­sön­li­che Glau­bens­le­ben indi­vi­du­el­ler Ordens­mit­glie­der. Des­we­gen ist die inter­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on in Zei­ten des Wan­dels so wich­tig. Und dann gibt es Orden, die sich schon inner­lich damit abge­fun­den haben, in Frie­den zu ster­ben. Dort wird Kom­mu­ni­ka­ti­on nach außen als unwich­tig wahr­ge­nom­men. Das ist aber der fal­sche Weg, auch im Pro­zess der Voll­endung gibt es noch viel Wert­vol­les zu kom­mu­ni­zie­ren. Die­se Orden soll­ten sich Gedan­ken machen, wie sie dazu bei­tra­gen kön­nen, dass Infor­ma­tio­nen über die Wer­te der Gemein­schaft auch in Zukunft noch ver­füg­bar sein werden.

Besteht denn Inter­es­se an den Wer­ten der Orden?
Oh ja! In den Nie­der­lan­den habe ich manch­mal den Ein­druck, dass die­ses Inter­es­se sogar zunimmt. Je mehr Orden ver­schwin­den, des­to mehr Inter­es­se am Ordens­le­ben ent­steht. Wel­che Infor­ma­tio­nen dann ver­füg­bar sind, das soll­ten die Orden nicht dem Zufall über­las­sen, son­dern aktiv mit­ge­stal­ten. Zusam­men­ge­fasst wür­de ich sagen: Für die Zukunft und die Ver­net­zung der Orden ist gute Kom­mu­ni­ka­ti­on abso­lut not­wen­dig. Das haben vie­le noch nicht verinnerlicht.

Was soll­te das Ziel die­ser Kom­mu­ni­ka­ti­on sein?
Sehr oft habe ich in Gesprä­chen über das Ordens­le­ben mit Leu­ten außer­halb der Orden gehört: „Das wuss­te ich gar nicht, das ist span­nend! Und für mein Leben rele­vant.“ Die Orden haben wun­der­ba­re Sinn­an­ge­bo­te, sie kön­nen über ihre reli­giö­se Iden­ti­tät als Orden spre­chen, Ordens­mit­glie­der ihre per­sön­li­chen Glau­bens­er­fah­run­gen tei­len. Das Inter­es­se beim brei­te­ren Publi­kum an sol­chen Zeug­nis­sen wächst, zumin­dest in den Nie­der­lan­den. Ordens­le­ben schwebt bei den meis­ten Men­schen unter dem Radar. Mit einer pro­fes­sio­nel­le­ren exter­nen und inter­nen Kom­mu­ni­ka­ti­on wäre das anders.

Vie­le Gemein­schaf­ten befin­den sich in einem Schrump­fungs­pro­zess. Da ist wenig Kraft, um sich über Zukunfts­pro­jek­te Gedan­ken zu machen.
Das stimmt, aber genau des­halb ist es wich­tig, recht­zei­tig über die Zukunft nach­zu­den­ken. Dazu kommt, dass vie­le Gemein­schaf­ten nur kurz­fris­tig pla­nen kön­nen, zum Bei­spiel von Kapi­tel zu Kapi­tel. Das ist oft zu kurz­fris­tig gedacht. In den Nie­der­lan­den gab es in den 80er-Jah­ren ein bekann­tes Buch eines Pro­vin­zi­als: „Ster­ben oder Wer­ben.“ In die­sem sprach er sich klar für ein bewuss­tes und sorg­fäl­ti­ges Ster­ben aus. Dar­aus ent­stand ein soge­nann­ter „Pro­zess der ver­ant­wor­tungs­vol­len Voll­endung“, der von der nie­der­län­di­schen Kon­fe­renz der Obe­ren über Jahr­zehn­te inten­siv beglei­tet wur­de. Ein geplan­ter Abgang der Orden von der Büh­ne, so kann man es for­mu­lie­ren. Das lief auch gut und pro­fes­sio­nell, aber es gab wenig Raum für neue Initia­ti­ven. Es schien, als wäre der Abbau der ein­zi­ge gang­ba­re Weg. Orden kön­nen und soll­ten zwei­glei­sig fah­ren: das machen, was gemacht wer­den muss im Rah­men eines not­wen­di­gen ver­ant­wor­tungs­vol­len Abbaus. Aber gleich­zei­tig offen blei­ben für unge­ahn­te und über­ra­schen­de Zukunfts­per­spek­ti­ven. Ein Orden kann sich auch gleich­zei­tig im Abbau und im Auf­bau befinden.

Was geschieht mit dem spi­ri­tu­el­len Erbe in die­sem Sterbeprozess?
Das treibt mich um. Die Gemein­schaf­ten, die sich nur mit dem Pro­zess der Voll­endung beschäf­ti­gen, ent­wi­ckeln oft einen Blick nach Innen und ver­ges­sen, dass die eige­ne Ordens­spi­ri­tua­li­tät und das eige­ne Lebens­zeug­nis auch heu­te in der Gesell­schaft noch gefragt sind. Vie­le sit­zen auf einer spi­ri­tu­el­len Schatz­tru­he, aber wol­len oder kön­nen aus die­sem Schatz nichts teilen.

Ist das eine Art Fatalismus?
Ja, das kann man so sehen. Vie­le Ordens­leu­te glau­ben selbst nicht mehr dar­an, dass ihre Lebens­form eine Zukunft hat. Doch das stimmt nicht, es wird wei­ter­ge­hen, obwohl wir Form und Inhalt jetzt noch nicht bestim­men kön­nen! Hin­zu kommt schlicht fal­sche Beschei­den­heit. Ordens­leu­te ste­hen nicht an der Stra­ße und schrei­en, wie gut sie ihren Lebens­ent­wurf fin­den oder was für gute Arbeit sie machen. Die drit­te Hür­de ist Skep­sis bezüg­lich neu­er Medi­en und gegen­über moder­ner Kom­mu­ni­ka­ti­on im Allgemeinen.

Es gibt wohl kein Umfeld, in dem so viel Wert gelegt wird auf Club­far­ben, Nest­ge­ruch und geschicht­li­che Prä­gung. Das macht es schwie­rig, aber man muss sich der Her­aus­for­de­rung ein­fach stellen.

Wie ler­nen Ordens­leu­te, muti­ger zu kommunizieren?
Da hilft nur die eige­ne Erfah­rung. Man muss es pro­bie­ren, mit der Außen­welt mutig in Kon­takt tre­ten. Sei­ne Posi­ti­on bezeu­gen: authen­tisch und in einer Form, die der Eigen­heit des reli­giö­sen Lebens ent­spricht. Das geht ganz kon­kret vor Ort, aber eben auch über die Medi­en. Wich­tig in die­sem Zusam­men­hang ist, dass wir akzep­tie­ren, dass das Grund­wis­sen über Reli­gi­on, das es bis vor kur­zem in wei­ten Tei­len der Bevöl­ke­rung gab, sehr schnell zurück­geht. Das muss man sprach­lich berück­sich­ti­gen. Wis­sen Sie, als ich begann, Theo­lo­gie zu stu­die­ren, da muss­te ich mich in mei­nem Umfeld dafür ver­tei­di­gen. Vie­le hat­ten ein kon­kre­tes Bild und die­ses war oft nega­tiv. Heu­te höre ich nur: „Aha, Orden, inter­es­sant. Kei­ne Ahnung, was Du da machst, aber erzähl mal.“ Das ist auch eine Chan­ce, weil die Leu­te zuhö­ren. Aber dann muss man auch in der Lage sein, die Din­ge ohne Fach­be­grif­fe und theo­lo­gisch über­höht ver­ständ­lich erläu­tern zu kön­nen. Das fällt vie­len schwer.

Muss man denn wirk­lich alle erreichen? 
Ja, man soll­te ver­su­chen, die Infor­ma­ti­on so zu gestal­ten, dass sie für mög­lichst vie­le Leu­te zugäng­lich ist. In der Kir­che feh­len all­zu oft die Zwi­schen­räu­me. Man ist ent­we­der drin oder raus. Dabei gibt es die immer grö­ßer wer­den­de Grup­pe von reli­giö­sen Suchern. Sie wol­len wenig von einer Insti­tu­ti­on wis­sen, sind aber durch­aus reli­gi­ös. Vie­le Sinn­an­bie­ter machen in die­sem Bereich ein Ange­bot, das Chris­ten­tum und die Orden sind dabei aber eher beschei­den. Das müs­sen wir ändern.

Sie spre­chen von Ver­net­zung. Wie stel­len Sie sich das vor? 
War­um setzt man sich in Deutsch­land nicht zusam­men und dis­ku­tiert gemein­sam mit den Bis­tü­mern über eine „Klos­ter­land­kar­te“? War­um denkt und plant jeder für sich? War­um setzt man nicht auf Zusam­men­ar­beit, inten­si­ven Aus­tausch, viel­leicht gemein­sam betrie­be­ne Insti­tu­te, wie zum Bei­spiel Exer­zi­ti­en­häu­ser? War­um bringt jede Gemein­schaft ihre eige­ne Zeit­schrift her­aus? Das alles soll­te man angehen.

Wor­an schei­tert es?
Es gibt wohl kein Umfeld, in dem so viel Wert gelegt wird auf Club­far­ben, Nest­ge­ruch und geschicht­li­che Prä­gung. Das macht es schwie­rig, aber man muss sich der Her­aus­for­de­rung ein­fach stel­len. Die Per­spek­ti­ve von außen auf die Ent­wick­lun­gen und Pro­ble­me der Orden ist oft eine ande­re als der indi­vi­du­el­le Blick der ein­zel­nen Orden. Um den Her­aus­for­de­run­gen der Zukunft gewach­sen zu sein, soll­ten die Orden manch­mal über ihre Schat­ten springen.

Wir füh­ren unser Inter­view hier in einem gro­ßen Klos­ter, im Kapu­zi­ner­klos­ter Müns­ter. Wird es sol­che Nie­der­las­sun­gen in 20 Jah­ren noch geben? 
Das kommt dar­auf an. In den Nie­der­lan­den haben fast alle Gemein­schaf­ten als Ers­tes ihre klei­nen Klös­ter geschlos­sen und sich in ein Mut­ter­haus zurück­ge­zo­gen. Die­se wer­den am Ende dann dicht gemacht. Die­se Umwand­lung der gro­ßen und eigen­wil­li­gen Objek­te ist oft eine sehr gro­ße Belas­tung für die Ver­ant­wort­li­chen. Es herrscht die Mei­nung vor, dass der Orden ent­we­der das gan­ze Klos­ter selbst betrei­ben muss – oder es wird als Gan­zes ver­äu­ßert. Ich per­sön­lich hal­te eine Mosa­i­k­lö­sung für inter­es­san­ter. So könn­te ein Orden in Zusam­men­ar­beit mit ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen, die zum Cha­ris­ma und zur Spi­ri­tua­li­tät pas­sen, das Klos­ter wei­ter betrei­ben und nut­zen. Das hat dann auch den Effekt, dass die Gemein­schaft in der Regi­on oder Stadt wei­ter sicht­bar bleibt.

Also weni­ger Klös­ter auf­ge­ben, son­dern Auf­ga­ben abge­ben und mit Part­nern weitermachen?
Ja, das fin­de ich eine sinn­vol­le Alter­na­ti­ve. Wenn alle Ordens­leu­te in eine Miet­woh­nung zie­hen, geht viel ver­lo­ren. Ich nen­ne das die „Wie­der­ent­de­ckung der Stei­ne“. Nicht nur Men­schen, auch Stei­ne kön­nen pre­di­gen und Zeug­nis able­gen. Um die meis­ten Klös­ter exis­tiert ein bun­ter Kreis von Men­schen, die sich ver­bun­den füh­len. Die­se ein­zu­be­zie­hen, das wäre mein Vor­schlag. Das setzt aber natür­lich vor­aus, dass man Auf­ga­ben an exter­ne Mit­ar­bei­ter abgibt und Ver­ant­wor­tung tei­len kann. Die­se „Anders-Orte“ zu erhal­ten, das wäre gut für die Gesell­schaft. Und gut für die Orden.

Die Rol­le der Lai­en wird dafür ent­schei­dend sein. 
Ja, in die­ser Hin­sicht liegt für mich das größ­te Poten­zi­al bei den Lai­en, die in irgend­ei­ner Form mit dem betrof­fe­nen Orden ver­bun­den sind.

Spre­chen wir noch über Beru­fun­gen. Wie kom­men die Orden an Nachwuchs?
Man muss als Orden bereit sein, sich zu öff­nen. Und davon über­zeugt sein, dass die eige­ne Lebens­form, viel­leicht in ange­pass­ter Form, in der Zukunft wich­tig und lebens­fä­hig ist.

Kön­nen Sie ein Bei­spiel aus den Nie­der­lan­den nennen?
Die Trap­pis­ten in einer Abtei bei Til­burg haben etwas völ­lig Neu­es gewagt. Sie nann­ten es „elek­tro­ni­sches Novi­zi­at“. Vor Coro­na ent­wi­ckelt, durch Coro­na gepusht. Jeder saß zuhau­se und hat­te Zeit für das digi­ta­le Pro­gramm. Es gab eine gro­ße Reso­nanz, über 150 Män­ner haben mit­ge­macht. Am Ende haben sich sechs aus die­ser Grup­pe ent­schie­den, das klas­si­sche „Prä­senz-Novi­zi­at“ zu begin­nen. Ein unglaub­li­cher Erfolg. Durch die­ses E‑Noviziat kamen auch jün­ge­re Frau­en auf die Idee, dass es mög­lich wäre, Trap­pis­tin zu wer­den. Eine Dyna­mik, mit der nie­mand gerech­net hat­te. Und span­nend: Die­se Inter­es­sier­ten kamen nicht aus der klas­si­schen, gut-katho­li­schen Ecke. Son­dern aus unter­schied­lichs­ten Krei­sen der Gesellschaft.

So etwas kos­tet ziem­lich viel Geld. 
Ja, in der Tat. Die­se Pro­jek­te müs­sen hoch-pro­fes­sio­nell gestal­tet sein, das hat rich­tig Geld gekos­tet. Ohne Mut und ein gewis­ses Risi­ko geht es nicht.

Ich hof­fe, dass die Orden in der Beru­fungs­ar­beit auch die Lai­en mit­ein­schlie­ßen, die sich mit dem Orden und sei­nen Wer­ten ver­bin­den möchten.

Wird es in Deutsch­land in 20 Jah­ren noch ein Ordens­le­ben geben? 
Ja, das den­ke ich schon. Es wird klei­ne­re Gemein­schaf­ten geben, vie­le wer­den im kon­tem­pla­ti­ven Bereich exis­tie­ren. Dann wird es auch Nie­der­las­sun­gen der gro­ßen inter­na­tio­na­len Orden geben, die den Schrump­fungs­pro­zess durch aus­län­di­sche Mit­glie­der teil­wei­se kom­pen­sie­ren kön­nen. Und hof­fent­lich wird es Orte geben, an denen Orden in einer neu­en Form der Zusam­men­ar­beit mit ver­bun­de­nen Lai­en „Mosa­ik-Gemein­schaf­ten“ bilden.

Gibt es für Orden eigent­lich einen „Point-of-no-Return“?
Wie heißt es so schön: „Wenn du den lie­ben Gott zum Lachen brin­gen willst, dann erzähl ihm Dei­ne Zukunfts­plä­ne.“ Das gilt auch für reli­giö­se Gemein­schaf­ten. Es ist immer alles mög­lich. Was aber den­noch rich­tig ist: Man soll­te sich nie etwas ver­bau­en und immer auf neue Ent­wick­lun­gen reagie­ren kön­nen. Die Orden ent­schei­den selbst mit, wie sich Got­tes Kir­che entwickelt.

In den Nie­der­lan­den gibt es eine fast unglaub­li­che Beru­fungs­ge­schich­te der Dominikaner.
Sie zeigt, dass der Hei­li­ge Geist immer für Über­ra­schun­gen sor­gen kann. Die Domi­ni­ka­ner hat­ten über vie­le Jah­re kei­ne Beru­fun­gen und hat­ten sich für einen bewuss­ten Weg der Über­ga­be domi­ni­ka­ni­scher Ideen und Mis­sio­nen an domi­ni­ka­ni­sche Lai­en ent­schie­den. An des­sen Ende hät­te das Aus für den Orden im Land, aber nicht für domi­ni­ka­ni­sche Wer­te und Mis­si­on gestan­den. Plötz­lich stan­den dann zehn jun­ge Män­ner vor der Tür.

„The Dutch Miracle“.
Ja, so wird die­ser Vor­gang oft genannt. Die­ser Neu­an­fang und sei­ne fol­gen­de Dyna­mik waren wirk­lich über­ra­schend, es gab kei­ne gro­ße Wer­be­ak­ti­on oder so. Der Orden hat es dann sehr gut gema­nagt, denn der Anschluss der neu­en Mit­glie­der an die alten Ordens­leu­te war schwie­rig. Die Neu­en hat­ten meis­tens kei­ne katho­li­sche Sozia­li­sie­rung, sie tick­ten ein­fach anders. In vie­len Din­gen, etwa was das Habit-Tra­gen angeht oder die Form des Stun­den­ge­bets, gin­gen die Vor­stel­lun­gen aus­ein­an­der. Es gab dann eine eige­ne Kom­mu­ni­tät für die jun­gen Män­ner in Rot­ter­dam, in der die Neu­lin­ge ihre Vor­stel­lun­gen umset­zen konn­ten. Die älte­ren Brü­der haben es geschafft, etwas zurück­zu­tre­ten und die neu­en Mit­brü­der machen zu lassen.

Wel­che Qua­li­tä­ten der Orden sind für Sie vor allem neue Beru­fun­gen wichtig?
Ein wich­ti­ger Punkt ist das Sicht­bar­ma­chen von Gemein­schaft. Das muss jeder Orden her­aus­ar­bei­ten: Was trägt uns gemein­sam? Wer sind wir in neu­en, her­aus­for­dern­den Zei­ten? Wie blei­ben wir offen für jun­ge Leu­te? Auch der Aspekt der Stil­le, der Kon­tem­pla­ti­on, ist für vie­le Suchen­de wich­tig. Es gibt ein Jugend­klos­ter in den Nie­der­lan­den, das recht erfolg­reich Social-Media-Detox-Pro­gram­me anbie­tet. Und natür­lich braucht es eine spi­ri­tu­el­le Offen­heit. Vie­le Men­schen haben eine spi­ri­tu­el­le Ader in sich, sind irgend­wie reli­gi­ös berührt, fin­den aber kei­nen guten Weg, dar­über zu spre­chen und die­se zu leben. Ers­te Begeg­nun­gen zwi­schen Orden und Inter­es­sier­ten soll­ten ohne all­zu fes­ten insti­tu­tio­nel­len Rah­men statt­fin­den. Orden könn­ten einen frei­en Raum für Gestal­tung von reli­giö­sen Erfah­run­gen schaf­fen. Dar­aus kön­nen Beru­fun­gen für das Ordens­le­ben als sol­che wach­sen. Aber es geht beim The­ma „Beru­fung“ nicht nur um Ordens­leu­te. Ich hof­fe, dass die Orden in der Beru­fungs­ar­beit auch die Lai­en mit­ein­schlie­ßen, die sich mit dem Orden und sei­nen Wer­ten ver­bin­den möch­ten. Dafür muss es wei­te­re und neue For­men der Anbin­dung an den Orden geben.

Vie­len Dank für das Gespräch!

Das Inter­view führ­te Tobi­as Rauser.

 

Zur Per­son:
Paul Wen­ne­kes wur­de 1957 in Utrecht gebo­ren und ist im Süd­wes­ten der Nie­der­lan­de in einer urka­tho­li­schen Gegend auf­ge­wach­sen. Fünf von elf Geschwis­tern sei­nes Vaters waren Ordens­leu­te. Nach dem Stu­di­um der Theo­lo­gie in Til­burg arbei­te der Nie­der­län­der in einem Ver­ein, der die Erneue­run­gen des zwei­ten vati­ka­ni­schen Kon­zils unter­stüt­zen woll­te. Anschlie­ßend arbei­te­te er 20 Jah­re in einer Stif­tung, wo Wen­ne­kes von Orden finan­zier­te pas­to­ral-sozia­le Pro­jek­te in Mit­tel-Ost­eu­ro­pa betreu­te. Seit eini­gen Jah­ren ist er für das Pro­jekt NICC (Net­wor­king Inten­tio­nal Chris­ti­an Com­mu­ni­ties) tätig. Die­ses öku­me­ni­sche Pro­jekt unter­sucht Zukunfts­per­spek­ti­ven des reli­giö­sen Gemein­schafts­le­bens in den Nie­der­lan­den, Flan­dern und Deutsch­land. Wei­te­re Infos: www.nicc.network.

 

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