Standpunkte
Bruder Stefan Maria

Foto: Kapuziner/Kiên Hoàng Lê

BR. STEFAN MARIA HUPPERTZ

wur­de 1977 gebo­ren und ist seit 2002 Kapu­zi­ner. Er ist seit Herbst 2018 Rek­tor der Lieb­frau­en­kir­che in Frank­furt am Main. 

17. Novem­ber 2020

Corona und Einsamkeit: „Momente der Ohnmacht und der Bedrängung“

Die aktu­el­le Situa­ti­on in der Coro­na-Pan­de­mie macht ein­sam. Wie man die­se schwie­ri­ge Lage durch­ste­hen kann und war­um man Gott durch­aus die eige­ne Not die­ser Tage hin­hal­ten kann, kom­men­tiert der Kapu­zi­ner Ste­fan Maria Huppertz. 

Eine kur­ze net­te Begeg­nung im Café. Ein freund­li­ches Wort im Treppenhaus.

Die­se Klei­nig­kei­ten sind es, die allein­le­ben­den Men­schen nicht sel­ten ein gro­ßes Plus an Lebens­qua­li­tät ver­lei­hen. Gera­de für Men­schen mit nur weni­gen sozia­len Kon­tak­ten ist es also ein gro­ßes und schmerz­haf­tes Pro­blem, dass es durch die Beschrän­kun­gen in der Coro­na-Pan­de­mie eine Redu­zie­rung die­ser Kon­tak­te gibt.

„Homo homi­ni lupus“: Der Mensch ist dem Men­schen ein Wolf. Was der römi­sche Dich­ter Plau­tus um das Jahr 200 v. Chr. schrieb und der eng­li­sche Staats­phi­lo­soph Hob­bes 1642 auf das Ver­hält­nis von Staa­ten zuein­an­der anwand­te, das wur­de 2020 für vie­le Men­schen in Deutsch­land, Euro­pa und der gan­zen Welt zu einer neu­en, unge­wohn­ten, beängs­ti­gen­den Gewiss­heit: Vom Men­schen kann eine rea­le Gefahr für ande­re Men­schen aus­ge­hen. Men­schen kön­nen mir – völ­lig ohne böse Absicht – zur Gefahr wer­den. Und ich ihnen. Der Abstand zwi­schen „Abstand hal­ten“ und „im Abseits ste­hen“ ist für man­che Men­schen, nicht nur für Älte­re, ein Draht­seil­akt geworden.

Da gibt es einer­seits die klu­ge Vor­sicht, die zum Abstand­hal­ten mahnt. Die sagt, dass es viel­leicht klü­ger und ange­mes­sen ist, die alten Eltern und Groß­el­tern im Advent lie­ber nicht zu besu­chen. Von Weih­nach­ten wol­len wir noch gar nicht spre­chen. Ande­rer­seits gibt es die natür­li­che Sehn­sucht nach räum­li­cher Nähe zu lie­ben Men­schen, die rein digi­tal nicht gestillt wer­den kann. Und bei der die Bilan­zie­rung von Nut­zen, Scha­den, Chan­cen und Gefah­ren zu einem ande­ren Ergeb­nis kommt und die Vor­sichts­maß­nah­men für unver­hält­nis­mä­ßig erklärt.

Von allen Fra­gen der Moti­va­ti­on völ­lig unbe­rührt bleibt die Tat­sa­che, dass die Ein­sam­keit in die­ser Pan­de­mie zuge­nom­men hat. Jene Ein­sam­keit, die sich nicht nur unge­sund anfühlt, son­dern tat­säch­lich für Leib und See­le unge­sund ist. Ein ech­ter Wolf im über­tra­ge­nen Sinn, der da her­an­wächst. Der Wolf wür­de jedoch nicht unge­fähr­li­cher wer­den, wenn die Gefahr igno­riert wird. Ein klas­si­sches Dilemma.

Hier nun mit all­zu klu­gen oder from­men Phra­sen auf­zu­war­ten und ver­trös­ten zu wol­len, wür­de die Not der vie­len Men­schen nicht ernst­neh­men, wür­de kei­ner Fra­ge­stel­lung und kei­nem Ant­wort­ver­such gerecht wer­den. Viel­leicht ist das schlicht mit dem Aus­druck des Bedau­erns zur Kennt­nis zu neh­men. Viel­leicht muss aner­kannt und aus­ge­hal­ten wer­den, dass die­se Mona­te nicht nur wirt­schaft­lich für vie­le kata­stro­phal sind. Die emo­tio­na­le Kata­stro­phe ist glei­cher­ma­ßen schwer und wird nach der Kri­se glei­cher­ma­ßen Zeit und Auf­merk­sam­keit benö­ti­gen, um Schä­den wie­der zu glät­ten, um Hei­lung zu ermöglichen.

Ob die Zeit alle Wun­den heilt, bleibt abzu­war­ten. Abzu­war­ten und zu hof­fen. Wohl­mög­lich auch zu erbe­ten. Das alte Tes­ta­ment kennt die Kla­ge­psal­men: Momen­te der Ohn­macht und der Bedrän­gung wer­den Gott hin­ge­hal­ten. Nicht gleich mit der Hoff­nung ver­bun­den, dass die­ser schnell ein­greift und Ret­tung ver­schafft. Das könn­te für man­che Momen­te das Gebet der Stun­de sein: Kla­gen. Gott die eige­ne Not und die Not die­ser Tage hin­hal­ten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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