Interview

FOTO: Tobi­as Rauser

BR. JULIAN PFEIFFER (21) und BR. WOLFGANG DREWS (90)

tra­fen sich zum brü­der­li­chen Aus­tausch im Kapu­zi­ner­klos­ter Werne. 

11. Janu­ar 2023

Gespräch der Generationen: Gebet, Gelübde und Gemeinschaft

In den Klös­tern der Kapu­zi­ner leben, beten und arbei­ten jun­ge und alte Ordens­män­ner zusam­men. Was ver­bin­det die Gene­ra­tio­nen? Ein Gespräch mit Br. Juli­an Pfeif­fer (21) und Br. Wolf­gang Drews (90). 

Fast 70 Jah­re tren­nen Sie bei­de, doch bei­de haben Sie die Ent­schei­dung getrof­fen, Kapu­zi­ner zu wer­den. Warum?
Br. Juli­an Pfeif­fer: Bei mir war die­se Ent­schei­dung mit Begeg­nun­gen und Men­schen ver­bun­den. Ich kom­me aus dem glei­chen Dorf wie ein ande­rer Kapu­zi­ner. Schon län­ger trieb mich die Fra­ge nach Gott und dem Glau­ben um – und auch der Wunsch, Theo­lo­gie zu stu­die­ren, war schon exis­tent. Eines Tages traf ich dann mei­nen spä­te­ren Mit­bru­der Ste­fan und wir kamen in Kon­takt. Ich leb­te ein paar Tage im Klos­ter in Müns­ter mit. Ich weiß es noch heu­te, es war über Sil­ves­ter. Eines Abends hat­te ich ein fast über­wäl­ti­gen­des Gefühl eines inne­ren Frie­dens in der stil­len Zeit. Die­ses Gefühl habe ich wir­ken las­sen. Ich habe mir auch ande­re Orden ange­schaut, aber am Ende stand fest: Ich möch­te mei­nen Weg bei und mit den Kapu­zi­nern gehen.

Br. Wolf­gang Drews: Eine gute Beglei­tung ist in der Tat uner­setz­lich, das kann ich bestä­ti­gen. Bei mir fiel die Ent­schei­dung damals etwas anders. Ich hat­te aus mei­nem Eltern­haus einen tie­fen Glau­ben mit­be­kom­men, der mich damals trug. Ich woll­te Pries­ter wer­den. Dass es die Kapu­zi­ner wur­den, hat­te aber kei­ne beson­de­ren Grün­de. Ich klopf­te in Frank­furt an, weil es mir dort gefiel. In der Aus­bil­dung zum Kapu­zi­ner habe ich dann von Fran­zis­kus erfah­ren und es sind drei Wor­te in mir gereift: „Komm. Geh. Bleib“. Und so habe ich mein Leben gelebt: Komm – fol­ge mir nach. Geh – und ver­kün­de. Bleib – in mei­ner Lie­be. Das trägt bis heute.

Sovie­le Jah­re im Orden und als Pries­ter: Hat­ten Sie mal eine gro­ße Glau­bens- oder Berufungskrise?
Br. Wolf­gang: Nein, ich hat­te kei­ne! Für mich gehört Ver­trau­en zum Glau­ben. Das hat­te ich immer. Gera­de im Alter, das so man­ches Leid mit sich bringt, ver­traue ich noch viel inten­si­ver die­sem Jesus am Kreuz.

Br. Juli­an: Das fas­zi­niert mich, denn mir geht es da anders. In mei­nem Glau­bens­le­ben gibt es immer wie­der Momen­te, in denen das Ver­trau­en fehlt. In denen Zwei­fel aufkommen.

Aus mei­ner Sicht ist wich­tig, die täg­li­chen Gebe­te zu hal­ten. Das trägt.

Wie gehen Sie damit um?
Br. Juli­an: Ich hal­te mei­ne Zwei­fel Gott hin. Und dann kommt in der Tat das Ver­trau­en ins Spiel. Ich ver­traue schon dar­auf, dass es einen Gott gibt, die Fra­ge ist eher: Wo ist mein Platz? Die­se Fra­ge brin­ge ich vor Gott und höre, was zurückkommt.

Sie bei­de haben sich für einen Weg in der Gemein­schaft ent­schie­den. Was macht die Kapu­zi­ner aus?
Br. Wolf­gang: Ich woll­te immer mit Men­schen unter­wegs sein. Mit Men­schen, die mich brau­chen, die ich bera­ten und beglei­ten kann. Und das ist es auch, was für mich das Kapu­zi­ner-Sein aus­macht. Die Nähe zu ande­ren Men­schen, mit ihnen ihren Weg zu gehen.

Br. Juli­an: Das wür­de ich auch für mich über­neh­men, aber noch etwas ergän­zen: Für mich ist die Boden­stän­dig­keit hier im Orden wich­tig – und das Gebet. Und nicht zuletzt das mit­brü­der­li­che Sein, weil wir in vie­len Din­gen als Brü­der gemein­sam agie­ren und nicht nur auf Ein­zel­pos­ten unter­wegs sind.

Sie haben mit dem Ein­tritt in den Orden drei Gelüb­de abge­legt: Armut, ehe­lo­se Keusch­heit und Gehor­sam. Die klas­si­sche Fra­ge lau­tet da immer: Was ist das schwie­rigs­te Versprechen?
Br. Wolf­gang: Ich den­ke, das schwie­rigs­te ist der Gehor­sam. Hor­chend und im Wil­len des Ande­ren han­deln und fer­tig wer­den. Das ist nicht immer so leicht. Und natür­lich kön­nen unter­wegs auch mal Schwie­rig­kei­ten mit der Sexua­li­tät auf­tre­ten, das ist ganz natür­lich. Immer steht die Fra­ge nach der Armut an: Es gilt im Her­zen frei zu blei­ben, sich nicht – an was auch immer – zu ver­lie­ren, außer an Jesus.

Br. Juli­an: Ich kann die­se Fra­ge noch nicht abschlie­ßend beant­wor­ten, auch wenn sie mich natür­lich umtreibt. Mal sind alle drei Gelüb­de gleich schwer, mal alle drei gleich leicht, mal wiegt das eine mehr, mal das ande­re. Im Gro­ßen und Gan­zen aber hän­gen die drei Ver­spre­chen zusam­men: Wenn eins nicht funk­tio­niert, dann wird es auch mit den ande­ren Din­gen schwierig.

Nur wer fragt, und wer Gott als jeman­den erlebt, der hilft und heilt, der kann immer wie­der zu die­ser Quel­le zurückkommen.

Wie fin­det oder erhält man denn die eben ange­spro­che­ne Tie­fe im Glau­ben, das uner­schüt­ter­li­che Vertrauen?
Br. Wolf­gang: Aus mei­ner Sicht ist wich­tig, die täg­li­chen Gebe­te zu hal­ten. Das trägt. Wenn mir heu­te im Bett lie­gend ein­fällt, dass ich die Kom­plet noch nicht gebe­tet habe, dann ste­he ich noch­mal auf und set­ze mich hin. Da bin ich streng mit mir. Denn ich habe es eine Zeit­lang auch anders gehal­ten, bis mir wie­der bewusst gewor­den ist, wie wesent­lich das Gebet ist. Der zwei­te wich­ti­ge Punkt ist der Blick auf das Kreuz: Jesus sagt, nimm dein Kreuz auf dich und fol­ge mir nach.

Br. Juli­an: Mein Ansatz zur Beant­wor­tung die­ser Fra­ge wäre das Wort „Lebens­kri­se“. Sol­che Kri­sen rufen Fra­gen her­vor, die in eine Tie­fe füh­ren. Nur wer fragt, und wer Gott als jeman­den erlebt, der hilft und heilt, der kann immer wie­der zu die­ser Quel­le zurück­kom­men. Bei mir per­sön­lich geht das nur in Ver­bin­dung mit Stille.

Wie schafft man das: Auf der einen Sei­te bei den Men­schen zu sein – und auf der ande­ren Sei­te still zu wer­den, um die­se Tie­fe zu spüren?
Br. Juli­an: Ich sehe die­sen Zwie­spalt auch. Es ist schwer, bei­des zu schaf­fen. Ich habe sel­ber eini­ge Zeit bei uns im Orden mit­ten in einer Groß­stadt gelebt, und da ist es schon eine beson­de­re Her­aus­for­de­rung, das Gebet und die Stil­le nicht zu ver­ges­sen. Was Du, Br. Wolf­gang, zur Kom­plet gesagt hast, kann ich gut nach­voll­zie­hen und ich es habe es auch schon gespürt: Ich spü­re oft die­sen Impuls, noch ein­mal das Stun­den­buch in die Hand zu neh­men, egal, wie müde ich bin. Das tut gut und hilft.

Br. Wolf­gang: Dazu möch­te ich Dir ger­ne noch etwas sagen: Es wird Dir im Leben immer wie­der pas­sie­ren, dass Du etwa in der Seel­sor­ge so stark ein­ge­bun­den bist, dass mal ein Gebet zu kurz kommt. Da darf man dann auch nicht zu ängst­lich sein und mei­nen, man müs­se alles nach­ho­len oder es schnell run­ter­ras­seln. Ich habe in die­sen Fäl­len dem lie­ben Gott gesagt: Du weißt, ich habe mich mit aller Kraft ein­ge­setzt, ich hof­fe, es war gut so. Auf kei­nen Fall soll­te man unru­hig wer­den, weil man meint, etwas ver­passt zu haben. Das wäre mein Rat.

In den Kon­ven­ten der Kapu­zi­ner leben Jung und Alt zusam­men. Wie ist das denn mit der Gemein­schaft, wann ist sie ein gro­ßes Glück, und wann ist sie eher eine Last?
Br. Juli­an: Wenn man mit einem Bru­der nicht so gut aus­kommt, dann kann es natür­lich etwas schwie­ri­ger sein. Ansons­ten ist es ein gro­ßes Glück: Weil man nicht allein im Chor sitzt, weil man in Gemein­schaft Gott sucht. Die Gemein­schaft ist auch immer wie­der Antrieb, sich zu Gott auf­zu­ma­chen und ihn zu suchen. Im Übri­gen fin­de ich, dass Unru­he durch­aus auch etwas Gutes hat, vor allem für das geist­li­che Leben. Kon­flik­te die­nen als Ansporn für Wei­ter­ent­wick­lung und Auseinandersetzung.

Die Gemein­schaft ist auch immer wie­der Antrieb, sich zu Gott auf­zu­ma­chen und ihn zu suchen.

Br. Wolf­gang, Sie haben mal gesagt „Ich hat­te immer Frie­den im Orden“. Wie geht das denn?
Br. Wolf­gang: Ich habe noch kei­nen Streit gehabt mit einem Mit­bru­der. Natür­lich gibt es wel­che, die anders ticken als ich. Aber ich sage mir immer: Jeder ist mein Bru­der, nicht ich habe ihn gewählt, son­dern der lie­be Gott. Und ich las­se mich auch nicht rei­zen, wenn mir jemand etwas an den Kopf wirft.

Sie haben eini­ge Zeit jun­ge Män­ner beglei­tet, die in den Orden ein­tre­ten wol­len. Was wäre ihr Rat für jun­ge Leu­te, die heu­te auf der Suche sind?
Br. Wolf­gang: Schaut auf Fran­zis­kus und Kla­ra! Dort gibt es soviel zu ent­de­cken, was für die eige­ne Ent­wick­lung wich­tig ist.

Hier sit­zen zwei am Tisch, die bei­de eine Pries­ter­be­ru­fung spü­ren. Ist das ein Traumberuf?
Br. Wolf­gang: Ja, für mich ist das ein Traum­be­ruf. Ich woll­te immer Pries­ter werden.

Br. Juli­an: Auch für mich ist das ein Traum­be­ruf. Ich möch­te aber noch etwas hin­zu­fü­gen, weil wir ja auf dem Syn­oda­len Weg auch über die Rol­le des Pries­ter­tums spre­chen. Ich fin­de die Rol­le des Pries­ters wert­voll, aber ich hof­fe auch, dass die Kir­che sich öff­net und den Kle­ri­ka­lis­mus überwindet.

Br. Wolf­gang: Wenn jemand Jesus die­nen will, dann soll­te er das auch in Zukunft als Pries­ter tun kön­nen. Für mich per­sön­lich ist aber klar: Natür­lich kann auch eine Frau die­sen Dienst übernehmen.

Von was für einer Kir­che träu­men Sie?
Br. Wolf­gang: Mein Ide­al ist eine ein­fa­che Kir­che, die im Volk, in der Gemein­de lebt. Mit einer ech­ten Ver­bin­dung ins Leben der Men­schen. Nah dran.

Br. Juli­an: Ich träu­me von einer Kir­che, die nicht in Büro­kra­tie und Ver­wal­tung erstickt. Von einer Kir­che, die bei den Men­schen ist und Gott sucht. Die sich nicht in Poli­tik ver­liert, son­dern auf das Evan­ge­li­um schaut und dar­auf, was der Hei­li­ge Geist will.

Vie­len Dank für das Gespräch!

Das Inter­view führ­te Tobi­as Rauser

 

Br. Juli­an Pfeiffer
Nach dem Abitur star­te­te Br. Juli­an (Jahr­gang 1999) mit dem Theo­lo­gie­stu­di­um und lern­te Grie­chisch und Hebrä­isch. In die­ser Zeit wuchs in ihm der Wunsch, Kapu­zi­ner zu wer­den. Nach sei­nem ein­jäh­ri­gen Novi­zi­at im ita­lie­ni­schen Came­ri­no leg­te er im Jahr 2021 sei­ne ers­te Pro­fess ab. Ende 2022 ver­län­ger­te Br. Juli­an sei­ne Gelüb­de in Müns­ter, wo er seit Som­mer wie­der Theo­lo­gie stu­diert. Ab Febru­ar 2023 lebt Br. Juli­an in Salzburg. 

Br. Wolf­gang Drews
Der gelern­te Elek­tro­ma­schi­nen­bau­er (Jahr­gang 1932) klopf­te in jun­gen Jah­ren bei den Kapu­zi­nern in Frank­furt am Main an die Klos­ter­pfor­te. 1955 trat er in den Orden ein. Als Pries­ter arbei­te­te er an vie­len Orten, etwa in Stüh­lin­gen, Frank­furt und Wer­ne. Vie­le Jah­re war Br. Wolf­gang Pos­tu­lats­lei­ter, er präg­te auch die Anfangs­jah­re des Klos­ters zum Mit­le­ben in Stüh­lin­gen. Der Ordens­mann lebt im Kapu­zi­ner­klos­ter in Werne.

 

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