Interview
Kapuziner Christophorus Goedereis

Bild: Kapuziner/Hoàng Lê

BR. Christophorus Goedereis

wur­de im Juni 2019 auf dem Pro­vinz­ka­pi­tel der Deut­schen Kapu­zi­ner­pro­vinz in Klos­ter Reu­te zum Pro­vin­zi­al­mi­nis­ter gewählt.

5. Okto­ber 2020

„Wir müssen alle mehr wie Franz von Assisi werden“

Fünf Jah­re nach sei­nem Schrei­ben „Lau­da­to si‘“ hat der Papst am 3. Okto­ber 2020 in Assi­si ein wei­te­res Grund­satz­do­ku­ment für die gesam­te Mensch­heit ver­öf­fent­licht. Wie­der hat er einen fran­zis­ka­ni­schen Titel gewählt: „Fratel­li tut­ti“. Ein Gespräch über die neue Enzy­kli­ka mit dem Pro­vin­zi­al der Deut­schen Kapu­zi­ner­pro­vinz, Chris­to­pho­rus Goedereis.

Was ist die Kern­aus­sa­ge der neu­en Enzyklika?

In „Fratel­li tut­ti“ ruft der Papst zu einem umfas­sen­den Neu­auf­bruch in und nach der Coro­na-Pan­de­mie auf. Vor allem mahnt Fran­zis­kus zu einem neu­en Den­ken in Sachen sozia­le Gerech­tig­keit und Wirt­schafts­po­li­tik. Und auch die Reli­gio­nen wer­den zum Dia­log und zum gemein­sa­men Bei­trag ermutigt.

Wel­che Pas­sa­gen haben Sie beson­ders beeindruckt?

Im ers­ten Kapi­tel heißt es: „Die Schat­ten einer abge­schot­te­ten Welt las­sen Ver­letz­te am Weges­rand zurück. Ange­sichts die­ser Wirk­lich­keit sind zwei Hal­tun­gen mög­lich: wei­ter­ge­hen oder ste­hen­blei­ben; ein­schlie­ßen oder aus­schlie­ßen. Das wird das Wesen des Men­schen bestimmen.“

In „Fratel­li tut­ti“ geht es dem Papst um eine neue, uni­ver­sel­le Freund­schaft sowie um die sozia­le Ver­ant­wor­tung unter allen Men­schen – egal, wel­cher Nati­on, Kul­tur, Reli­gi­on oder Welt­an­schau­ung sie auch sein mögen. „Einen Dia­log füh­ren zu kön­nen, ist der Weg, um die Welt zu öff­nen und sozia­le Freund­schaft auf­zu­bau­en“, schreibt Papst Fran­zis­kus im 6. Kapi­tel des Schrei­bens. „Der Dia­log respek­tiert, ermög­licht und sucht die Wahr­heit; der Dia­log lässt die Kul­tur der Begeg­nung ent­ste­hen, das heißt, dass die Begeg­nung zu einem Lebens­stil, einer Lei­den­schaft und einer Sehn­sucht wird. Wer einen Dia­log führt, ist freund­lich, er akzep­tiert und respek­tiert den ande­ren“, heißt es weiter.

Die Not­wen­dig­keit des Dia­logs zieht sich durch das gesam­te Doku­ment. Das gilt auch für den inter­re­li­giö­sen Dialog.

So ist es. In der Tra­di­ti­on des Dia­logs, den der Hei­li­ge Fran­zis­kus bereits im 13. Jahr­hun­dert mit dem Sul­tan von Ägyp­ten geführt hat, schreibt der Papst im 8. Kapi­tel: „Die Reli­gio­nen sind auf­ge­ru­fen zum Dienst an der Geschwis­ter­lich­keit in der Welt. Aus unse­rer Offen­heit gegen­über dem Vater aller erken­nen wir unse­re uni­ver­sa­le Stel­lung als Brü­der und Schwes­tern.“ An vie­len Stel­len ver­weist Papst Fran­zis­kus in sei­nem Text auf den sun­ni­ti­schen Groß­i­mam der Al-Azhar-Uni­ver­si­tät in Kai­ro, Ahmad al-Tay­y­eb, mit dem er 2019 in Abu Dha­bi ein „Doku­ment der Brü­der­lich­keit“ unter­zeich­net hat­te. Ein star­kes Zeichen.

War­um ist das Schrei­ben wich­tig für die Kir­che und die Gesellschaft?

Weil die Mensch­heit an einer Weg­schei­de steht. Die Coro­na-Pan­de­mie ist dafür nicht der Grund, son­dern ein Beschleu­ni­gungs­fak­tor für die drän­gen­den Fra­gen der Menschheit.

Es ist auch ein poli­ti­scher Text.

Fran­zis­kus betont in sei­ner Enzy­kli­ka aus­drück­lich sei­ne Ableh­nung des Uni­la­te­ra­lis­mus. Er schreibt: „Machen wir uns bewusst, dass die Unge­rech­tig­keit nicht nur Ein­zel­ne betrifft, son­dern gan­ze Län­der. Sie ver­pflich­tet dazu, über eine Ethik der inter­na­tio­na­len Bezie­hun­gen nach­zu­den­ken.“ Er erteilt an vie­len Stel­len poli­tisch extre­men und into­le­ran­ten Hal­tun­gen eine kla­re Absage.

Ist die Enzy­kli­ka ein gro­ßer Wurf?

Ob es ein gro­ßer Wurf ist, ver­mag ich nicht zu sagen. Vie­les von dem, was in “Fratel­li tut­ti” steht, wur­de bereits gesagt, zu einem gro­ßen Teil vom Papst selbst. Das macht die Aus­sa­gen aber nicht weni­ger dring­lich. Auch das Evan­ge­li­um bleibt stets neu und aktuell.

Was ist der beson­de­re fran­zis­ka­ni­sche Blick?

Fünf Jah­re nach „Lau­da­to si‘“ erreicht die Welt ein wei­te­res glo­ba­les Grund­satz­do­ku­ment aus der Feder eines Paps­tes, der selbst den Namen des Pover­el­lo, des klei­nen Armen, aus Assi­si ange­nom­men hat. Es zeigt uns nicht nur, wie aktu­ell die fran­zis­ka­ni­sche Spi­ri­tua­li­tät ist – es zeigt uns auch, dass die Mensch­heit sich neu für die Grund­wer­te ent­schei­den muss, die dem Hei­li­gen Fran­zis­kus hei­lig waren: die glo­ba­le Geschwis­ter­lich­keit, die Men­schen am Ran­de, die Schöp­fung, der Dia­log der Reli­gio­nen, die glo­ba­le sozia­le Ver­ant­wor­tung, die Umset­zung von fun­da­men­ta­len mensch­li­chen Grund­wer­ten in Poli­tik und Wirt­schaft. Der Grund­ton, den ich her­aus­hö­re, heißt: Wenn wir über­le­ben wol­len, müs­sen wir alle ein biss­chen mehr wie Franz von Assi­si werden.

Was muss nun folgen?

Das kon­kre­te Han­deln im Gro­ßen wie im Kleinen.

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