Interview

FOTO: KAPU­ZI­NER

30. März 2022

Zu zweit auf dem Weg: Br. Jeremias und Br. Moritz in der Ukraine

Anfang März mach­ten sich Br. Moritz und Br. Jere­mi­as gemein­sam auf den Weg in die Ukrai­ne. Im Inter­view spre­chen die Kapu­zi­ner über fran­zis­ka­ni­sche Spi­ri­tua­li­tät, die Beschei­den­heit der Ukrai­ner und ihre wei­te­ren Pläne.

Br. Jere­mi­as, Br. Moritz, Sie waren in den letz­ten Wochen gemein­sam in der Ukrai­ne unter­wegs. Der hei­li­ge Franz von Assi­si hat schon vor Jahr­hun­der­ten ver­fügt, dass die Brü­der sich zu zweit auf den Weg machen sol­len. Eine gute Idee?

Br. Jere­mi­as: Es gibt kei­ne bes­se­re, das kann ich aus vol­lem Her­zen sagen. Wenn sich Ordens­leu­te auf die Ideen des hei­li­gen Fran­zis­kus ein­las­sen, dann ist es sinn­voll und berei­chernd, zu zweit durch die Welt zu zie­hen. In die­sem Auf­trag steckt ein spi­ri­tu­el­ler Aspekt, der wich­tig ist: Auf­ein­an­der hören, den ande­ren ernst neh­men, im Gebet gemein­sam einen guten Weg finden.

Br. Moritz: Wer zu zweit mit der glei­chen Mis­si­on im Ein­satz ist, der merkt, dass man nicht nur eine Zweck­ge­mein­schaft ist, son­dern dass man als ech­te Brü­der mit einem Ziel unter­wegs ist.

Wie haben Sie sich denn vor drei Wochen im Klos­ter zusam­men­ge­fun­den? Bis­her haben sich Ihre Wege ja nicht gekreuzt.

Br. Moritz: Ja, das ist in der Tat so. Wir kann­ten uns kaum. Ich kom­me frisch aus dem Novi­zi­at in Ita­li­en und es gab bis­her nur weni­ge kur­ze Momen­te des Auf­ein­an­der­tref­fens. Aber ehr­lich gesagt war das kein gro­ßes Pro­blem. Es hat nicht viel Zeit gebraucht, ein gemein­sa­mes Mit­tag­essen vor drei Wochen und ein kur­zes Nach­den­ken, und dann war klar: Wir wol­len gemein­sam etwas unternehmen!

Br. Jere­mi­as: Wir hat­ten unter­schied­li­che Ideen, haben aber schnell zusam­men­ge­fun­den. Bei einem kur­zen Tref­fen auf dem Mat­ten­ka­pi­tel im Sep­tem­ber habe ich schon gemerkt: Da ist jemand, der ist spon­tan und gleich­zei­tig ernst­haft. Des­we­gen war mir sofort klar: Das kann gut funktionieren.

Bay­ern und Ruhr­pott, geht das zusammen?

Br. Jere­mi­as: Ich kom­me aus Ober­hau­sen, habe aber baye­ri­sche Vor­fah­ren und auch einen baye­ri­schen Dick­schä­del. Was uns bei­de ver­bin­det: Ehr­lich­keit, also gera­de­her­aus den­ken und spre­chen. Auch die fran­zis­ka­ni­sche Spi­ri­tua­li­tät ver­bin­det uns.

Br. Moritz: Dazu kommt der Humor, und nach­tra­gend sind wir auch bei­de nicht. Das ist wich­tig. Was uns unter­schei­det: Wir sind zwar bei­de direkt – aber der Bay­er ist har­mo­nie­be­dürf­ti­ger als der Ruhr­pott­ler (lacht).

Was schät­zen Sie an Ihrem Mitbruder?

Br. Jere­mi­as: Br. Moritz ist ein geist­lich-fran­zis­ka­nisch tief ver­wur­zel­ter Mensch. Er ist ehr­lich und sehr humor­voll, was wich­tig war in unse­rem Ein­satz. Und, das wich­tigs­te: Moritz hat eine unend­li­che Lie­be zu den Men­schen, die in jeder Begeg­nung durchkommt.

Br. Moritz: Br. Jere­mi­as hat Feu­er, er ist enga­giert und mutig. Ich schät­ze den brü­der­li­chen Umgang sehr, den er pflegt. Auch wenn er ein paar Jah­re älter als ich ist und viel län­ger im Orden, war es ein brü­der­li­cher Ein­satz auf Augenhöhe.

Wie haben Sie es erlebt, wie fan­den die Kapu­zi­ner­brü­der in der Hei­mat Ihren Einsatz? 

Br. Moritz: Für mich war das eine sehr schö­ne Erfah­rung. Die Pro­vinz und die Brü­der vor Ort haben wirk­lich enga­giert unse­re Sache unter­stützt. Das war mir per­sön­lich auch sehr wich­tig! Für mich als fran­zis­ka­ni­schem Ordens­mann kann eine sol­che Rei­se nur gelin­gen, wenn sie vom Segen und dem Gebet der Mit­brü­der getra­gen ist.

Als Sie vor drei Wochen gemein­sam im Klein­bus los­ge­fah­ren sind, was hat Sie bewegt?

Br. Moritz: Die Lau­ne war gut. Mit der Land­schaft und jedem Kilo­me­ter Ent­fer­nung zur Hei­mat wuchs dann das Gefühl des Fremd­seins. Der Ver­kehr wur­de weni­ger, in der Ukrai­ne gab es Stra­ßen­stel­lun­gen, ein komi­sches Gefühl. Am Ende stand eine Fremd­heit, die ich so noch nie gefühlt habe in mei­nem Leben.

Br. Jere­mi­as: Bei Katow­ice habe ich mir noch gedacht: Bis hier­hin rei­chen mei­ne Fami­li­en­wur­zeln. Ab nun bist Du wirk­lich fremd. Im Gedächt­nis ist mir auch die etwas iro­ni­sche Bemer­kung der Gren­ze­rin bei der Ein­rei­se in die Ukrai­ne geblie­ben, die uns mit einem tro­cke­nen „Good luck“ verabschiedete.

Und dann?

Br. Jere­mi­as: Es ging direkt los. Das tat auch gut. Wir kamen um 8.40 Uhr in Lviv an, und es hieß: Um neun Uhr geht es wei­ter zum Bahn­hof, ihr seid fest ein­ge­plant. Das hat der lie­be Gott gut gefügt, wir wur­den dort gebraucht und konn­ten hel­fen. Wenn wir gemerkt hät­ten, dass wir dort nur gestört hät­ten, wären wir sofort wie­der abgereist.

Br. Moritz: Das Gefühl des Fremd­seins ver­flog wirk­lich schnell. Auf der Rück­rei­se habe ich dann gedacht: Ich ver­las­se hier Freunde.

Was macht die Men­schen in der Ukrai­ne aus?

Br. Moritz: Vor allem eine gro­ße Demut und Beschei­den­heit. Ein Bei­spiel: Die Flüch­ten­den, die zum Teil Tage nichts geges­sen hat­ten, nah­men sich bei uns am Bahn­hof nur ein Brot, damit auch für den Nächs­ten noch etwas bleibt.

Br. Jere­mi­as: Die Men­schen haben eine Ruhe aus­ge­strahlt, die wirk­lich unglaub­lich war. Trotz des Krie­ges und trotz der Ver­fol­gung waren alle höf­lich und haben sich auch noch für das Gegen­über inter­es­siert. Das hat mich tief beein­druckt. Und kaum einer trägt, trotz der rus­si­schen Aggres­si­on, Hass im Her­zen. Viel­mehr Trau­er, Ent­set­zen und völ­li­ges Unverständnis.

Br. Moritz: Im Pries­ter­se­mi­nar, in dem wir in Lviv unter­ge­kom­men sind, habe ich eine gro­ße Offen­heit gespürt. Die jun­gen Män­ner vor Ort waren sehr fromm, waren aber immer zugäng­lich ande­ren Lebens- und Sicht­wei­sen gegen­über. Sie waren sehr inter­es­siert an unse­rem Leben als Kapu­zi­ner in der römisch-katho­li­schen Kirche.

Was steht nun an?

Br. Moritz: Bei mir geht’s direkt mit dem Theo­lo­gie­stu­di­um los, irgend­wie eine absur­de Vor­stel­lung. Par­al­lel dazu hel­fe ich, einen wei­te­ren 40-Ton­ner für die Ukrai­ne zu orga­ni­sie­ren. Ich habe mit mir gerun­gen, ob ich das Semes­ter absa­ge und wie­der in die Ukrai­ne rei­se. Ich bin mit die­ser Fra­ge ins Gebet gegan­gen, und bin nun zu einer hof­fent­lich guten Ent­schei­dung gekom­men: Mein Platz ist in Deutsch­land. Ich wer­de soli­da­risch von hier hel­fen, wo ich kann.

Br. Jere­mi­as: Ich wer­de mich wohl in der nächs­ten Woche wie­der in den Klein­bus Rich­tung Osten set­zen und in einem Kri­sen­in­ter­ven­ti­ons-Zen­trum der Mal­te­ser am Bahn­hof in Lviv arbei­ten. Ich freue mich sehr, dass mich Br. Moritz von Müns­ter aus unter­stützt. Natür­lich bin ich auch trau­rig, dass ich mich nun allei­ne auf den Weg machen wer­de. Die gemein­sa­men Erfah­run­gen aber blei­ben und tra­gen. Und im Gegen­satz zu unse­rem ers­ten Ein­satz in den letz­ten Wochen habe ich nun auch in der Ukrai­ne Freun­de. Ein spi­ri­tu­el­ler Aus­tausch, geis­ti­ge Gesprä­che, ein Mit­ein­an­der, das alles ist möglich.

Vie­len Dank für das Gespräch!

Das Inter­view führ­te Tobi­as Rau­ser. Mehr zum Ein­satz der bei­den Brü­der lesen Sie in unse­rem täg­lich aktua­li­sier­ten Ukrai­ne-Ticker.

Pressekontakt
Tobias Rauser

Tobi­as Rauser
Lei­ter der Pres­­se- und Öffentlichkeitsarbeit
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