Interview

FOTO: KAPUZINER/LEMRICH

BR. STEPHAN SCHWEITZER

ist seit 1983 Kapu­zi­ner. Der gebür­ti­ge Frank­fur­ter wur­de 1991 zum Pries­ter geweiht und lebt zur­zeit im Klos­ter Stühlingen. 

6. Sep­tem­ber 2022

Abschied aus Stühlingen und runder Geburtstag: Interview mit Br. Stephan Schweitzer

Im Sep­tem­ber fei­er­te Br. Ste­phan Schweit­zer sei­nen 60. Geburts­tag. Im Inter­view blickt der Kapu­zi­ner auf sei­ne Beru­fung und gute Begeg­nun­gen im Klos­ter zum Mit­le­ben und sagt, wie er mit der Trau­er um den Weg­gang aus Stüh­lin­gen umgeht. 

Br. Ste­phan, Sie haben im Sep­tem­ber ihren 60. Geburts­tag gefei­ert. War das ein beson­de­rer Geburtstag?
Eigent­lich nein. Ich bin auch kei­ner, der groß Geburts­ta­ge fei­ert. Aber ein Run­der ist dann halt doch Anlass, zumin­dest mei­ne Ange­hö­ri­gen, die Mit­brü­der und eini­ge Freun­de ein­zu­la­den. So konn­te ich auch mei­ne Mut­ter noch ein­mal nach Stüh­lin­gen locken, bevor wir hier weg­ge­hen. Und ein Punkt ändert sich mit dem 60 dann doch (lacht): Ich gehö­re nun nicht mehr zu den „Jün­ge­ren“ im Orden, die sich immer wie­der mal als U60-Grup­pe treffen.

Sie sind mit 21 Jah­ren in den Kapu­zi­ner­or­den ein­ge­tre­ten. Was wür­den Sie dem jun­gen Br. Ste­phan von damals heu­te zurufen?
Hast du gut gemacht! Es war die rich­ti­ge Entscheidung.

Wäh­rend mei­nes Ordens­le­bens sind mir auch ande­re Ordens­ge­mein­schaf­ten begeg­net. Da wur­de mir immer wie­der klar: Du bist bei den Kapu­zi­nern ganz rich­tig, das passt zu dir!

War­um sind Sie damals Kapu­zi­ner geworden?
Das in aller Kür­ze zu beant­wor­ten, ist gar nicht so leicht, aber ich ver­su­che es. Wäh­rend mei­nes Zivil­diens­tes, den ich in einer Dia­spo­ra-Pfarr­ge­mein­de absol­vier­te, wur­den mir ver­schie­de­ne Din­ge klar. Eigent­lich woll­te ich Infor­ma­tik stu­die­ren, doch ich habe schnell gemerkt, dass ich lie­ber mit Men­schen arbei­te als vor Bild­schir­men zu sit­zen. Außer­dem hat­te ich viel Freu­de an der Arbeit in einer Kir­chen­ge­mein­de und spür­te den Wunsch in mir, als Pries­ter und Seel­sor­ger zu arbei­ten. Da ich nicht der Typ „allein­ste­hen­der Pfar­rer“ bin, son­dern eine Gemein­schaft als Rück­halt brau­che, fiel mei­ne Ent­schei­dung für ein Leben im Orden. Dass es dann die Kapu­zi­ner wur­den, das lag an ihrer den Men­schen zuge­wand­ten, unkom­pli­zier­ten und direk­ten Art, die ich seit mei­nem 12. Lebens­jahr an der Lieb­frau­en­kir­che in Frank­furt ken­nen und schät­zen gelernt habe.

War­um sind Sie Kapu­zi­ner geblieben?
Ich gab kei­ne bes­se­re Alter­na­ti­ve (lacht). Aber im Ernst: Bei allen Schwie­rig­kei­ten und Her­aus­for­de­run­gen, die ein Ordens­le­ben so mit sich bringt und die es auch bei mir gab, hat­te ich nie das Gefühl, fehl am Platz zu sein. Ich habe mich immer in der Gemein­schaft behei­ma­tet gefühlt. Ich konn­te mich in den mir über­tra­ge­nen Auf­ga­ben mit mei­nen Fähig­kei­ten gut ein­brin­gen. Wäh­rend mei­nes Ordens­le­bens sind mir auch ande­re Ordens­ge­mein­schaf­ten begeg­net. Da wur­de mir immer wie­der klar: Du bist bei den Kapu­zi­nern ganz rich­tig, das passt zu dir!

Der Br. Ste­phan mit 21 und der mit 60: Was ver­bin­det, was unter­schei­det sie?
Der Enthu­si­as­mus, die Welt zu ver­bes­sern, und die hohen Idea­le, was das eige­ne Leben als Ordens­mann angeht, die rela­ti­vie­ren sich mit den Jah­ren. Oft ist man mit den eige­nen Gren­zen kon­fron­tiert und muss sich in Beschei­den­heit, Demut und in Selbst­an­nah­me üben. Das hat aber auch eine gute Sei­te: Dadurch wird der Umgang mit ande­ren barm­her­zi­ger und mensch­li­cher. Was defi­ni­tiv geblie­ben ist: Mei­ne Freu­de dar­an, jun­gen Men­schen Erfah­rungs­räu­me zu eröff­nen, sie her­aus­zu­for­dern und ihre eige­nen Gren­zen zu weiten.

Die­ser Ort und die­ses Kon­zept des Mit­le­bens hat etwas, das Men­schen hilft, mit den Her­aus­for­de­run­gen, den Belas­tun­gen, mit anste­hen­den Ent­schei­dun­gen, mit Schmerz und Trau­er gut umge­hen zu können.

Es ist der letz­te Geburts­tag, den Sie im Kapu­zi­ner­klos­ter Stüh­lin­gen ver­brin­gen. Wie geht es Ihnen damit?
Es ist sehr scha­de, dass wir die­sen für vie­le Men­schen so heil­sa­men Ort auf­ge­ben müs­sen. Wir schaf­fen es per­so­nell nicht mehr, ihn in ange­mes­se­ner Wei­se mit Leben zu fül­len. Ich bin jetzt acht Jah­re hier in Stüh­lin­gen und habe in die­ser Zeit neben den all­täg­li­chen Auf­ga­ben viel Kraft und Ener­gie in den Erhalt und die Reno­va­tio­nen des Gebäu­des und des Gar­tens gesteckt, um unse­ren Mit­le­be­gäs­ten einen guten Auf­ent­halt bei uns zu ermög­li­chen. Da steckt viel Herz­blut mit drin. Aber da wir Kapu­zi­ner ja, wie es so schön heißt, „Pil­ger und Fremd­lin­ge“ sind und immer wie­der in neue Auf­ga­ben beru­fen wer­den, war auch für mich klar, dass mei­ne Zeit hier in Stüh­lin­gen begrenzt ist. Mit dem wich­ti­gen Unter­schied in die­sem Fall, dass wir mit dem Wech­sel dies­mal die Tür hin­ter uns abschlie­ßen werden.

Was war Stüh­lin­gen für Sie für ein Ort?
Für mich ist und war Stüh­lin­gen ein Ort, wo wir auf eine ein­ma­li­ge Wei­se fran­zis­ka­ni­sches Leben in einer Gemein­schaft aus Schwes­tern und Brü­dern mit all den Men­schen, die zu uns gekom­men sind, geteilt haben. Als nie­der­schwel­li­ges Ange­bot hat es auch die erreicht, die sich erst ein­mal wie­der oder zum ers­ten Mal dem Glau­ben und Kir­che annä­hern wol­len. Bei allen Ver­än­de­run­gen und Wan­del über die 39 Jah­res des Bestehens des Klos­ters zum Mit­le­ben ist die­ser Grund­auf­trag, Men­schen auf unkom­pli­zier­te Wei­se an unse­rem Leben teil­ha­ben zu las­sen, immer bestehen geblie­ben und ermög­licht wor­den. Beson­ders gut hat mir hier immer gefal­len, dass wir als Gemein­schaft einen gemein­sa­men Auf­trag erfül­len und nicht nur eine Haus­ge­mein­schaft bil­den, wo dann tags­über jeder ganz eige­nen Auf­ga­ben nach­geht. Auch der Auf­ga­ben­mix aus Seel­sor­ge, Beglei­tung der Gäs­te, Lit­ur­gie wie auch Arbeit in Haus, Küche und Gar­ten und dazu die viel­fäl­ti­gen hand­werk­li­chen Her­aus­for­de­run­gen bei Reno­va­tio­nen oder Repa­ra­tu­ren pas­sen gut zu mir. Sie haben mich mit mei­nen Fähig­kei­ten immer wie­der neu her­aus­ge­for­dert und weitergebracht.

Der Schmerz des Abschie­des bleibt natür­lich. Aber ich habe das gute Gefühl, dass sich etwas Neu­es auf­tun wird, wo ich mich mit mei­nen Fähig­kei­ten wie­der gut ein­brin­gen kann.

Was neh­men Sie mit von die­sem Ort?
Vie­le Begeg­nun­gen und Men­schen, mit den ich mich sehr ver­bun­den füh­le. Die wohl­tu­en­de Erfah­rung geschwis­ter­li­cher Gemein­schaft von Schwes­tern und Brü­dern. „Aus nix ebbes mache“. Die geleb­te fran­zis­ka­ni­sche Spi­ri­tua­li­tät und Geschwis­ter­lich­keit mit den Men­schen, mit den Tie­ren und mit der Natur. Nicht zuletzt krea­tiv gestal­te­te Gebets­zei­ten mit viel Gesang und Musik. Vor allem ist es die für mich sehr ein­drück­li­che Erfah­rung, dass die­ser Ort für so vie­le Gäs­te, die mit uns mit­ge­lebt haben, eine wohl­tu­en­de, heil­sa­me Zeit gewe­sen ist. Die­ser Ort und die­ses Kon­zept des Mit­le­bens hat etwas, das Men­schen hilft, mit den Her­aus­for­de­run­gen, den Belas­tun­gen, mit anste­hen­den Ent­schei­dun­gen, mit Schmerz und Trau­er gut umge­hen zu kön­nen. Das Klos­ter zum Mit­le­ben hat vie­len gehol­fen, neue Per­spek­ti­ven für sich zu fin­den und Hoff­nung zu schöp­fen. Und für vie­le war es auch ein Ort, um ein­mal im Jahr wie­der kör­per­lich und spi­ri­tu­ell auf­zu­tan­ken. Sol­che Räu­me für Men­schen anzu­bie­ten, in denen sich Begeg­nung unter­ein­an­der und mit Gott ereig­nen kann, dafür möch­te ich mich auch in Zukunft enga­gie­ren. Wir wol­len als Kapu­zi­ner­pro­vinz auch in Zukunft suchen­den Men­schen sol­che Orte des Mit­le­bens anbieten.

Wie gehen Sie mit der Trau­er um Ort und Leu­te um?
Anfangs dach­te ich: Nee, die­ses Klos­ter hier mit auf­zu­lö­sen und aus­räu­men zu müs­sen, das willst du nicht. Da las­se ich mich vor­her irgend­wo anders­hin ver­set­zen. Mir ist mitt­ler­wei­le klar gewor­den, dass wir nur dann als Kapu­zi­ner eine gute Zukunft gestal­ten kön­nen, wenn wir uns von man­chem Lieb­ge­won­ne­nen tren­nen, damit der Frei­raum ent­steht, uns neu zu erfin­den. Seit­dem bin ich auch inner­lich bereit, das Aus­räu­men hier vor Ort mit durch­zu­zie­hen. Der Schmerz des Abschie­des bleibt natür­lich. Aber ich habe das gute Gefühl, dass sich etwas Neu­es auf­tun wird, wo ich mich mit mei­nen Fähig­kei­ten wie­der gut ein­brin­gen kann. Das hilft mir, weni­ger zurück als viel­mehr nach vor­ne zu blicken.

Sie spre­chen den Neu­an­fang an: Was wün­schen Sie sich?
Dass ich an einen Ort ver­setzt und mit einer Auf­ga­be betraut wer­de, bei der ich mich mit mei­nen Fähig­kei­ten gut ein­brin­gen kann. Und falls es wie­der eine Form des Mit­le­bens wäre, wür­de ich mich dar­über natür­lich sehr freuen.

Das Inter­view führ­te Tobi­as Rauser

Pressekontakt
Tobias Rauser

Tobi­as Rauser
Lei­ter der Pres­­se- und Öffentlichkeitsarbeit
Deut­sche Kapuzinerprovinz

Kapu­zi­ner­stra­ße 34
80469 München
Tel.: +49 (0)160–99605655

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