FOTO: KAPUZINER/LEMRICH
BR. TOBIAS LINK
wurde 1941 in Laudenbach bei Bad Mergentheim geboren. 1964 trat er ins Noviziat der Kapuziner in Stühlingen ein, 1970 wurde er zum Priester geweiht. Seit 2016 lebt der Ordensmann im Kapuzinerkloster in Werne.
Interview mit Br. Tobias: „Ich wusste nur: Gott ruft mich!“
Br. Tobias Link lebt im Kapuzinerkloster in Werne und ist seit fast 60 Jahren Kapuziner. Wie er mit Veränderungen umgeht und wie er seine Berufung gefunden hat, erzählt der 82-jährige im Interview auf kapuziner.de.
Br. Tobias, das Leben eines Kapuziners besteht aus stetigem Wandel. An wie vielen Orten haben Sie schon gelebt?
Ich glaube, es waren zehn Orte, seit ich 1964 in den Orden eingetreten bin. Ich bin sehr viel zwischen den Orten gewandert. Von Krefeld, Münster, Bad Säckingen, Deggingen, Münster, über Oberhausen, Stühlingen, Mergentheim und Werne. Hier in Werne lebe ich nun seit sechs Jahren.
Haben Sie überall an diesen Orten Heimat gefunden?
Ja, das ist so. Ich nehme ja mich mit, und das ist überhaupt das Wichtigste, damit man sich heimisch fühlt. Und meine Tätigkeiten an diesen Orten waren auch eine beständige Größe, ich habe oft und sehr gerne in Krankenhäusern gearbeitet. Natürlich ändert sich mit jedem Ort die Umgebung. Ich stamme aus dem schönen Taubertal, da ist es sehr hügelig, hier in Werne ist alles flach. Aber das ist nur das Äußere: Die Menschen hier sind sehr angenehm und grade Werne ist ein echtes Highlight in der Beziehung zu den Leuten hier vor Ort. Die Bevölkerung steht zum Kloster, arbeitet und hilft mit. Der Freundeskreis und die Kolpingsfamilie sind eine beständige Größe.
Ich bin einfach im Vertrauen in den Orden eingetreten, dass das schon das Richtige für mich ist. Im Noviziat zeigte sich dann: Heureka, ich habs gefunden, das, was ich suche!
Was verbindet die Orte, an denen Kapuziner leben?
Letztlich ist unsere Heimat als Kapuziner im Himmel. Deswegen ist alles, was wir hier an Heimat haben, relativ. Meine Heimat im Kloster ist das Gebet. Ich liebe das tägliche Stundengebet sehr, auch die tägliche Messe. Konkret hier in Werne haben wir unter den Brüdern ein gutes Verhältnis untereinander.
Wie definieren Sie Heimat?
Für mich bedeutet Heimat, verstanden zu werden. Und das war in der Tat an den Orten, an denen ich gelebt habe, sehr unterschiedlich gegeben. Ein besonderer und guter Ort war hier Stühlingen, unser Kloster zum Mitleben. Hier konnten wir Menschen bei uns Heimat geben, und auch ich habe mich dort sehr wohl gefühlt.
Es liegt ja durchaus in der der „franziskanischen DNA“, nach ein paar Jahren als Ordensmann weiterzuziehen. War Ihnen das bei Ihrem Eintritt vor knapp 60 Jahren klar?
Nein, wenn ich ehrlich bin. Ich hatte keinerlei Erfahrungen mit den Kapuzinern und bin einfach im Vertrauen eingetreten, dass das schon das Richtige für mich ist. Ich wusste nur: Gott ruft mich. Im Noviziat zeigte sich dann: Heureka, ich habs gefunden, das, was ich suche!
Wie war das denn, als Gott Sie gerufen hat?
Ich war nach meinem Schulabschluss auf der Suche nach einer Gemeinschaft. Ich traf die Salesianer in Eichstätt und diese haben einen guten Eindruck gemacht. Ich wohnte einige Zeit bei ihnen, traf aber dann auf die Kapuziner, deren Lebensweise mich noch mehr angesprochen hat.
Wie haben Sie Franz von Assisi kennengelernt?
Meine Mutter war in der franziskanischen Gemeinschaft, im sogenannten dritten Orden. Und sie hieß auch Klara, aber das habe ich alles gar nicht so wahrgenommen. Unterschwellig war die Beziehung da, aber viel hat sich erst mit dem Ordenseintritt entwickelt. Mein Vater war auch gar nicht begeistert, dass ich ins Kloster gehen wollte. Ich bin sehr froh über meinen Weg. 1970 wurde ich in meiner Heimat Laudenbach bei Bad Mergentheim zum Priester geweiht und habe nun auch schon mein 50-jähriges Priesterjubiläum in meiner Heimat in Laudenbach mit der Gemeinde gefeiert.
Warum sind Sie Kapuziner geblieben?
Mir geht es um Treue. Es gibt immer andere Optionen, etwa die Gründung einer Familie. Das war und ist manchmal schwierig, aber ich habe mich einmal entschieden und das trägt mich. Ich habe bei den Kapuzinern meine Heimat gefunden.
Wenn es Probleme gibt, wie gehen Sie das an?
Das Gebet ist der richtige Ort. Und Freunde, die einem Mut geben. Ich habe immer wieder Menschen getroffen, die mir eine starke Stütze waren, um meinen Weg als Ordensmann weiterzugehen.
Warum haben Sie sich für den Ordensnamen Tobias entschieden?
Ich bin auf den Namen Hubertus getauft worden, da mein Vater, ein Jäger, unbedingt einen Hubertus haben wollte. Als ich in den Orden eintrat, war es üblich, einen neuen Namen anzunehmen. Heute ist das nicht mehr der Fall. Damals lief es so: Wir durften sechs Namen aufschreiben, zu berücksichtigen war, dass es jeden Namen in der Provinz nur einmal geben durfte. Ich habe in dieser Zeit im Stundengebet einen Psalm von Tobias gesehen und so kam dieser Name auf die Liste. Im Buch Tobias steckt viel Weisheit und Tiefe. Mein Novizenmeister hat dann entschieden. Ich finde den Namen gut und er passt zu mir.
Es gibt immer andere Optionen. Das war und ist manchmal schwierig, aber ich habe mich einmal entschieden und das trägt mich.
Nicht nur die Namenssuche der Brüder hat sich geändert, auch viele andere Dinge haben sich seit ihrem Eintritt in den Orden gewandelt.
Das ist in der Tat so. Die Klausur ist nicht mehr so vorhanden wie früher, auch viele sehr strenge Traditionen wurden verändert. Zu meiner Jugendzeit im Orden wurde das Stundengebet noch auf Latein gesprochen, es gab noch die „Prostratio“, also das Sichniederwerfen im Chor und in der Kirche. Ich fand das recht schön damals. Vielleicht passt es heute nicht mehr, aber für mich war das eine fromme Geste, die ich gerne gemacht habe. Dass das Stundengebet heute auf Deutsch ist, finde ich gut, denn die Texte, die Fürbitten und die Psalmen sind wirklich auch heute noch, 50 Jahre nach dem Konzil, sehr gut. Das Stundengebet und die tägliche Messfeier liebe ich sehr.
In der Ausbildung war es noch üblich, dass Sie Ihre Mutter nur einmal im Jahr besuchen durfte.
Ja. Und das Treffen fand auch nur im Sprechzimmer statt. Es war sehr hart für mich, das muss ich sagen. Und auch die Versetzungen am Anfang, ohne große Rücksprache, haben zu Klage und Tränen geführt.
Haben Sie den Wandel in Orden und Kirche als positiv empfunden?
Das Konzil hat sehr wichtige Veränderungen mit sich gebracht. Das war nötig und auch gut so. In der Zeit danach wurde es mir dann aber manchmal doch zu wild. Wandel ist nötig, das ist mir klar. Aber ich bin ein eher konservativer Mensch und schöpfe meine Kraft aus den Wurzeln.
Wird Werne Ihre letzte Station sein?
Einen alten Baum soll man bekanntlich nicht mehr versetzen. Ich möchte das auch nicht und nicht noch einmal neu anfangen müssen. Auf alle Fälle wird Werne meine letzte Station sein – so Gott will!
Das Interview führte Tobias Rauser